In deinen Augen
immer noch auf Anweisungen wartete, gezückt, als mein Vater im selben Moment die Treppe heruntergetrabt kam, in dem meine Mutter aus der Wohnzimmertür trat. Ich war gefangen zwischen zwei aufeinanderprallenden Wetterfronten. An diesem Punkt konnte man nichts mehr tun, als die Fenster zu verrammeln und zu hoffen, dass der Gartenzwerg es überstehen würde.
Ich wappnete mich für das Schlimmste.
Mein Vater tätschelte mir den Kopf. »Na, Schnuppel?«
Schnuppel?
Blinzelnd sah ich ihm nach, als er an mir vorbeistapfte, entschlossen und mächtig, ein Riese in seinem Schloss. Es war, als wäre ich ein Jahr in die Vergangenheit gereist.
Ich starrte ihn immer noch an, als er neben meiner Mutter in der Tür stehen blieb. Jetzt würden sie sicher das Feuer eröffnen und sich fiese Sprüche um die Ohren hauen. Stattdessen drückte er ihr einen Kuss auf die Wange.
»Wer sind Sie und was haben Sie mit meinen Eltern gemacht?«, fragte ich.
»Ha!«, machte mein Vater, in einem Tonfall, den man wohl als heiter bezeichnen musste. »Es wäre nett, wenn du dir was überziehen könntest, das deinen Bauchnabel ein bisschen mehr bedeckt, bevor Marshall kommt. Falls du dann nicht oben bist und Hausaufgaben machst.«
Mom warf mir einen »Ich hab’s dir ja gesagt« -Blick zu, auch wenn sie kein Wort über mein Oberteil verloren hatte, als ich von der Schule nach Hause gekommen war.
»Moment mal, Marshall, der Kongressabgeordnete?« , erwiderte ich. Mein Vater hatte jede Menge Freunde vom College, die mittlerweile ziemlich hohe Tiere waren, aber seit Jacks Tod hatte er nicht mehr viel Zeit mit ihnen verbracht. Doch die Geschichten über sie hatte ich oft gehört, besonders wenn bei den Erwachsenen der Alkohol auf den Tisch kam. »Magic-Mushrooms-Marshall? Der Marshall, der’s vor dir mit Mom getrieben hat?«
»Für dich immer noch Mr Landy«, rügte mein Vater, aber er war schon halb aus dem Zimmer und klang nicht sonderlich verärgert. Dann fügte er noch hinzu: »Und sei nicht so frech zu deiner Mutter.«
Mom drehte sich um und ging mit meinem Vater zurück ins Wohnzimmer. Ich hörte sie reden und einmal lachte meine Mutter sogar.
An einem Dienstag. Es war Dienstag und sie lachte.
»Was will der denn hier?«, fragte ich argwöhnisch und folgte ihnen durchs Wohnzimmer in die Küche. Mein Blick fiel auf die Arbeitsplatte. Ihre eine Hälfte war unter Chipsschüsseln und Gemüseplatten begraben und die andere unter Klemmbrettern, Ordnern und vollgekritzelten Blöcken.
»Du hast dir immer noch nichts anderes angezogen«, sagte Mom.
»Ich bin sowieso gleich weg«, antwortete ich. Das hatte ich gerade erst beschlossen. Dads Freunde fanden sich alle extrem witzig und waren in Wirklichkeit extrem unwitzig und so war meine Entscheidung gefallen. »Warum kommt Marshall her?«
»Mr Landy«, verbesserte mein Vater. »Wir wollen nur ein paar Rechtssachen besprechen und außerdem haben wir uns lange nicht gesehen.«
»Ein bestimmter Fall?« Ich schlenderte auf die papierbedeckte Seite der Arbeitsplatte zu, als mir plötzlich etwas ins Auge fiel. Tatsächlich, das Wort, das ich gesehen zu haben meinte – Wölfe –, war überall. Ein unbehagliches Kribbeln durchströmte mich, als ich das Geschreibsel überflog. Letztes Jahr, bevor ich Grace kannte, wäre dieses Gefühl das süße Prickeln von Rache gewesen, weil die Wölfe anscheinend endlich einen Denkzettel dafür bekommen sollten, dass sie Jack getötet hatten. Jetzt aber war ich erstaunlicherweise nur nervös. »Hier geht’s darum, dass Wölfe in Minnesota unter Artenschutz stehen.«
»Möglicherweise nicht mehr lange«, erklärte mein Vater. »Landy hat da ein paar Ideen. Vielleicht kriegt er’s sogar durch, dass das ganze Rudel beseitigt wird.«
Darum hatte er so gute Laune? Weil er und Landy und Mom es sich zusammen gemütlich machen und einen Plan aushecken würden, um die Wölfe zu töten? Ich konnte nicht fassen, dass er tatsächlich zu glauben schien, das würde Jacks Tod irgendwie erträglicher machen.
Grace war da draußen im Wald. Er wusste es nicht, aber er redete gerade davon, sie umzubringen.
»Grandios«, sagte ich. »Ich bin dann mal weg.«
»Wo willst du denn hin?«, fragte Mom.
»Madison.«
Mom hielt beim Aufreißen einer Chipstüte inne. Sie hatten genug zu essen eingekauft, um den ganzen Kongress satt zu kriegen. »Fährst du wirklich zu Madison oder sagst du das nur, weil du weißt, dass ich sowieso zu viel zu tun habe, um es zu überprüfen?«
»Na
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