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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Ahnung, ob es ein Ferngespräch werden würde oder nicht, also erwiderte ich: »Mercy Falls.«
    »Hmm«, machte er, was meine Frage auch nicht beantwortete. »Tja ja.«
    Ich wartete eine qualvolle Minute lang. Im Hintergrund hörte ich ein harsches, bellendes Lachen.
    »Meine Frau telefoniert gerade«, sagte er. »Aber wenn sie fertig ist, können Sie das Telefon kriegen.«
    »Danke«, erwiderte ich. »Ach so, wo sind wir hier eigentlich genau? Damit ich meinem Freund sagen kann, wo er mich abholen soll.«
    »Tja ja«, sagte er wieder. Ich glaube nicht, dass er damit irgendwas Bestimmtes ausdrücken wollte – er sagte es anscheinend einfach, wenn er nachdachte. »Sagen Sie ihm, wir sind zwei Meilen vor Burntside.«
    Burntside. Das war fast eine halbe Stunde Fahrt von Mercy Falls entfernt, alles über kurvige Landstraßen. Eine beunruhigende Vorstellung, dass ich, ohne mich daran zu erinnern, diese Entfernung zurückgelegt hatte, wie eine Schlafwandlerin.
    »Danke«, wiederholte ich.
    »Ich glaube, Sie haben da Hundekacke am Schuh«, fügte er hilfsbereit hinzu. »Ich kann’s riechen.«
    Ich tat so, als würde ich meinen Schuh inspizieren. »Oh, da haben Sie wohl recht. Ich hab mich schon gewundert.«
    »Sie braucht sicher noch ’ne Weile«, warnte er mich. Es dauerte eine Sekunde, bis mir klar wurde, dass er seine Frau am Telefon meinte.
    Aber ich begriff, was er eigentlich sagen wollte. Ich schlug vor: »Dann seh ich mich ein bisschen um«, und er machte ein erleichtertes Gesicht, als hätte er sich schon gezwungen gesehen, mich zu unterhalten, während ich bei ihm am Tresen stand. Sobald ich zu einer Wand voller Köder geschlendert war, um sie mir anzusehen, fing er wieder an, hinter der Theke herumzukramen, was auch immer er dort suchte. Seine Frau redete weiter und lachte ihr komisches bellendes Lachen und der Laden stank weiter nach Körperausdünstungen.
    Ich betrachtete Angelruten, einen ausgestopften Hirschkopf mit einer rosa Baseballkappe darauf und Plastikeulen, mit denen man angeblich Vögel aus seinem Garten verscheuchen konnte. In einer Ecke standen Behälter mit lebendigen Mehlwürmern. Während ich sie anstarrte und sich mir der Magen zusammenzog, entweder vor Ekel oder als vage Ankündigung einer bevorstehenden Verwandlung, ging die Tür wieder auf und ein Mann in einer grünen Latzhose kam herein. Er und der verschwitzte alte Mann begrüßten einander. Ich fummelte an einem leuchtend orangefarbenen Halsband für Jagdhunde herum, konzentrierte mich dabei jedoch größtenteils auf meinen Körper, um herauszufinden, ob ich mich heute wirklich wieder verwandeln würde oder nicht.
    Plötzlich schnappte ich etwas von dem Gespräch der beiden Männer auf, das mich aufmerken ließ. Der Mann mit der Latzhose sagte: »Ich meine, irgendwas muss man da doch unternehmen. Einer hat sich heute sogar einen Müllsack von meiner Hintertür geholt. Meine Frau glaubt, das war ein Hund, aber ich hab ’nen Pfotenabdruck gesehen – viel zu groß.«
    Wölfe. Sie redeten über die Wölfe.
    Über mich.
    Ich machte mich ganz klein, kauerte mich hin, als wollte ich mir die Tüten mit Hundefutter auf dem untersten Bord des Metallregals genauer ansehen.
    Der alte Mann sagte: »Hab gehört, Culpeper will da was organisieren.«
    Der Latzhosentyp stieß eine Art Schnauben aus, das gleichzeitig aus seiner Nase und seinem Mund zu dringen schien. »Was, etwa so wie letztes Jahr? Das hat doch ’nen feuchten Dreck gebracht. Mit ihren Kugeln haben sie die doch gerade mal am Bauch gekitzelt. Ach was, so viel soll der Gewässerschein also dieses Jahr kosten?«
    »Soll er«, bestätigte der alte Mann. »Aber diesmal hört sich das alles schon ganz anders an. Er will die Viecher drankriegen, wie sie das in Idaho gemacht haben. Mit Hubschraubern und … Feldjägern. Nee, so heißen die nicht. Scharfschützen. Das ist es. Will wohl versuchen, das gerichtlich durchzukriegen.«
    Wieder drehte sich mir der Magen um. Es war, als landeten wir immer wieder bei Tom Culpeper. Der auf Sam geschossen hatte. Und dann auf Victor. Wann würde er endlich genug haben?
    »Na, viel Glück dabei, das an den Ökofreaks vorbeizukriegen«, sagte Latzhose. »Diese Wölfe stehen doch unter Naturschutz oder so was. Mein Cousin hatte vor ein paar Jahren ’nen Heidenärger am Hals, weil einer davon ihm vors Auto gelaufen ist. Und den Wagen hat er sich dabei auch noch zu Schrott gefahren. Culpeper kriegt sicher noch ordentlich Gegenwind.«
    Der alte Mann ließ

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