In deinen Augen
zierten das Heck des Pick-ups: »Unterstützt unsere Truppen«, »Leg endlich auf und fahr« und, unerklärlicherweise, »Ich wär so gern in Minnesota«.
Am vorderen Ende des Wagens redete ein Polizist auf einen rothaarigen Mann ein, der ein weißes T-Shirt trug und Hosenträger, weil er eine fette Wampe, aber keinen Hintern in der Hose hatte. Und was noch interessanter war, durch die offene Pick-up-Tür konnte ich eine Pistole auf dem Fahrersitz liegen sehen.
»Dr. Culpeper«, begrüßte der Polizist meine Mutter freundlich.
Mom verfiel in ihre Karamellstimme – die einen so langsam und dickflüssig einhüllte, dass man gar nicht merkte, wie kurz davor man war zu ersticken. »Officer Heifort. Ich habe nur angehalten, um zu fragen, ob Sie vielleicht meine Hilfe brauchen.«
»Na, das ist aber mächtig anständig von Ihnen«, entgegnete Heifort. Er hatte die Finger unter seinem ebenfalls ansehnlichen Wanst in seinen Pistolengürtel gehakt. »Und das ist Ihre Tochter? Ist genauso hübsch wie Sie, Doc.« Meine Mutter winkte kokett ab. Aber Heifort bestand darauf. Der rothaarige Mann trat von einem Fuß auf den anderen. Dann kam das Gespräch auf die Mücken zu dieser Jahreszeit. Der Rothaarige sagte, es würde noch viel schlimmer werden als jetzt. Er nannte sie »Schnaken«.
»Wofür ist die Pistole?«, fragte ich.
Alle sahen mich an.
Ich zuckte mit den Schultern. »Hab mich nur gewundert.«
Heifort antwortete: »Tja, scheint ganz so, als hätte Mr Lundgren hier beschlossen, auf eigene Faust Jagd auf die Wölfe zu machen.«
Mr Lundgren protestierte: »Nee, nee, Officer, so war’s ja nun auch wieder nicht. Ich hab das Viech zufällig gesehen und da hab ich aus dem Auto drauf geschossen. Ist ja wohl nicht dasselbe.«
»Vielleicht nicht«, gab Heifort zurück. »Aber da drüben liegt ein totes Tier und nach Sonnenuntergang darf hier eigentlich nichts geschossen werden. Und schon gar nicht mit einem.38er Revolver. Das muss ich Ihnen doch wohl nicht erst erzählen, Mr Lundgren.«
»Warten Sie«, schaltete ich mich ein. »Sie haben einen Wolf getötet?« Ich schob die Hände in die Jackentaschen. Obwohl es nicht besonders kalt war, zitterte ich plötzlich.
Heifort deutete auf eine Stelle ein paar Meter vor dem Pick-up und schüttelte resigniert den Kopf.
»Mein Mann hat mir aber gesagt, bis zur Treibjagd dürfte niemand auf sie schießen«, sagte meine Mutter und der Karamell in ihrer Stimme klang nun schon etwas härter. »Damit sie keine Angst bekommen und sich verstecken.«
»Genau so sieht’s aus«, bestätigte Heifort.
Ich ging weg von ihnen, in Richtung des Grabens, wohin Heifort gedeutet hatte. Mir war bewusst, dass der Rotschopf mich mit seinem trübseligen Blick verfolgte. Jetzt konnte ich einen Streifen Pelz ausmachen; ein Tier lag im Gras auf der Seite.
Lieber Gott und möglicherweise Heiliger Antonius, ich weiß, ich habe immer jede Menge dämlicher Wünsche, aber der hier ist wirklich mal wichtig: Bitte lass es nicht Grace sein.
Obwohl ich wusste, dass sie eigentlich bei Sam und Cole in Sicherheit sein sollte, hielt ich die Luft an und ging näher heran. Das gebänderte Fell bewegte sich im Wind. Im Oberschenkel des Tiers klaffte ein kleines blutiges Loch, ein weiteres in der Schulter und schließlich eins direkt hinter dem Schädel. Oben auf dem Kopf sah es ein bisschen eklig aus, wo die Kugel wieder ausgetreten war. Um die Augen des Tiers zu sehen, hätte ich mich hinknien müssen, aber damit hielt ich mich nicht auf.
»Das ist ein Kojote«, sagte ich anklagend.
»Genau, Ma’am«, bestätigte Heifort fröhlich. »Ganz schön groß, was?«
Ich stieß die Luft aus. Sogar ein Stadtmädchen wie ich konnte einen Wolf von einem Kojoten unterscheiden. Ich war wieder bei meinem ursprünglichen Verdacht, dass Mr Lundgren sich ein Glas zu viel genehmigt hatte. Oder er hatte unbedingt seine neue Knarre ausprobieren wollen.
»Sie haben doch nicht etwa noch mehr Ärger in dieser Art gehabt, oder?«, wollte Mom von Heifort wissen. Sie stellte die Frage auf diese Art, die sie an sich hatte, wenn sie etwas mehr für meinen Vater als für sich selbst in Erfahrung bringen wollte. »Dass die Leute die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen, meine ich? Sie halten doch wohl alles unter Verschluss?«
»Wir tun, was wir können«, antwortete Heifort. »Die meisten halten sich wirklich zurück. Sie wollen dem Heli nicht die Tour vermasseln. Aber allzu überrascht wär ich nicht, wenn’s noch ein, zwei
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