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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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ich gehen wollte.
    Ich blieb in der Tür stehen.
    Er zuckte mit den Schultern. »Ach, schon gut.«
    Als ich draußen im Flur war, lag Cole schon wieder auf dem Bett, Zettel unter und auf und rings um sich, umringt von allem, was Beck zurückgelassen hatte. Er hätte so leicht verloren wirken können inmitten all dieser Erinnerungen und Worte, stattdessen aber wirkte er beschwingt, beflügelt durch all den Schmerz, der schon vor ihm da gewesen war.

KAPITEL 26
ISABEL
    Autofahren mit meinen Eltern hatte irgendetwas an sich, was mich zu einer schlechteren Fahrerin machte. Egal, wie viel Zeit ich schon mit den Händen am Lenkrad zugebracht hatte, kaum saß ein Erziehungsberechtigter auf dem Beifahrersitz, fing ich an, zu hart zu bremsen, die Kurven zu eng zu nehmen und versehentlich die Scheibenwischer einzuschalten, wenn ich nach dem Radioknopf griff. Und auch wenn ich eigentlich nicht der Typ war, der mit Leuten redete, die mich sowieso nicht hören konnten (Sam Roth stellte sich langsam, aber sicher als Ausnahme von dieser Regel heraus), sobald meine Mutter oder mein Vater im Auto saßen, merkte ich plötzlich, wie ich mich über die dämlichen Nummernschilder anderer Fahrer lustig machte oder über ihre Langsamkeit meckerte oder einen bissigen Kommentar abgab, wenn jemand seinen Blinker bereits zwei Meilen vor dem Abbiegen einschaltete.
    Das war auch der Grund, warum ich, als das Licht meiner Scheinwerfer auf einen halb auf der Straße, halb mit der Schnauze im Graben stehenden Liefer- oder was auch immer für eine Art Wagen fiel, sagte: »Na, da hat aber einer super geparkt.«
    Meine Mutter, die der Wein und die späte Stunde schläfrig und wohlwollend gemacht hatten, wurde plötzlich aufmerksam. »Isabel, halt mal dahinter an. Vielleicht braucht da jemand Hilfe.«
    Ich wollte einfach nur nach Hause, damit ich Sam oder Cole anrufen und herausfinden konnte, was mit Grace los war. Wir waren nur noch zwei Meilen vom Haus entfernt, was ich vom Universum ein klitzekleines bisschen unfair fand. Das Fahrzeug am Rand des Lichtkegels meiner Scheinwerfer wirkte ein wenig unheimlich. »Mom, du bist doch diejenige, die mir immer predigt, dass ich nie anhalten soll, weil ich sonst vergewaltigt oder von Demokraten verschleppt werde.«
    Mom schüttelte den Kopf und zog ihre Puderdose aus der Handtasche. »So was hab ich noch nie gesagt, das klingt mehr nach deinem Vater.« Sie klappte die Sonnenblende runter und musterte sich in dem kleinen beleuchteten Spiegel darin. »Ich hätte ›Liberale‹ gesagt.«
    Ich verlangsamte auf Schritttempo. Der Wagen – wie sich herausstellte, ein Pick-up mit einer von diesen hohen Hauben über der Ladefläche, bei deren Kauf man vermutlich seinen Personalausweis vorzeigen musste, um zu beweisen, dass man über fünfzig war – sah aus, als gehörte er einem Säufer, der nur angehalten hatte, um in den Graben zu reihern.
    »Wie sollen wir denn da überhaupt helfen? Wir können doch keine … Reifen wechseln oder so.« Irgendwie wollte mir einfach kein Grund einfallen, aus dem dort jemand rechts rangefahren sein sollte, es sei denn eben zum Reihern.
    »Da ist ein Polizist«, sagte Mom. Und tatsächlich sah ich jetzt den Streifenwagen, der ebenfalls am Straßenrand stand und dessen Scheinwerfer durch den riesigen Pick-up verdeckt gewesen waren. Wie beiläufig fügte sie hinzu: »Vielleicht haben sie ja medizinische Versorgung nötig.«
    Mom lebte in der stetigen Hoffnung, dass irgendjemand medizinische Versorgung nötig hatte. Als ich noch klein war, war sie immer geradezu scharf drauf gewesen, dass jemand sich verletzte. Imbissköche ließ sie nie aus den Augen für den Fall, dass sich eine Küchenkatastrophe ereignete. In Kalifornien hatte sie bei jedem Auffahrunfall angehalten. Ihr Superheldenspruch lautete: »BRAUCHT JEMAND EINEN ARZT? ICH BIN ÄRZTIN! « Mein Vater hatte mich mal ermahnt, sie deswegen nicht aufzuziehen; anscheinend hatte sie es wegen irgendwelcher Familienprobleme schwer gehabt, ihren Abschluss zu machen, und war jetzt überglücklich, wenn sie den Leuten erzählen konnte, dass sie Ärztin war. Selbstverwirklichung schön und gut, aber so langsam sollte sie sich doch mal dran gewöhnt haben, oder?
    Seufzend hielt ich hinter dem Pick-up. Ich manövrierte mein Auto etwas eleganter von der Straße, als der andere Fahrer das geschafft hatte, aber das war auch nicht besonders schwierig. Meine Mutter sprang eifrig aus dem Wagen und ich folgte ihr etwas langsamer. Drei Aufkleber

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