In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater

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zu stellen, auch ein bisschen magisch fand.
    »Noch so eine deprimierende, praktische Vorstellung.«
    Nun löste ich den Blick von Himmel, um ihn anzusehen. »Sieht doch trotzdem schön aus.«
    »Selbst wenn es wirklich der QuikMart sein sollte«, stimmte Sam zu. Dann blickte er mich an, auf eine nachdenkliche Art, die mich ein bisschen kribbelig machte. Als fielen ihm plötzlich seine guten Manieren wieder ein, fragte er widerstrebend: »Bist du müde? Wenn du willst, komm ich wieder mit dir rein.«
    »Ich bin nicht müde«, antwortete ich. »Ich will einfach nur ein bisschen bei dir sein. Bevor alles wieder schwierig und verwirrend wird.«
    Stirnrunzelnd sah er in die Nacht hinaus. Dann, mit einem Mal, sagte er: »Komm, wir gehen nachsehen, ob das wirklich ein Nordlicht ist.«
    »Ach, hast du neuerdings ein Flugzeug?«
    »Ich habe einen VW«, erwiderte er großspurig. »Wir müssen irgendwo hin, wo es dunkler ist. Weiter weg vom QuikMart. Mitten in die Wildnis von Minnesota. Was meinst du?«
    Jetzt lag auf seinem Gesicht das schüchterne kleine Grinsen, das ich so liebte. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, seit ich es zum letzten Mal gesehen hatte.
    »Hast du deine Schlüssel?«, vergewisserte ich mich.
    Er klopfte bestätigend auf seine Hosentasche.
    Ich deutete nach oben. »Was ist mit Cole?«
    »Der schläft, wie jeder andere auch um diese Zeit«, winkte Sam ab. Ich sagte ihm nicht, dass Cole nicht schlief. Er sah mich zögern und deutete es falsch. »Du bist die Praktische von uns beiden. Ist das eine blöde Idee? Ich weiß nicht. Vielleicht ist es eine blöde Idee.«
    »Ich fände es schön«, sagte ich. Ich griff nach seiner Hand und drückte sie entschlossen. »Wir sind doch sicher nicht lange weg.«
    Als wir in der dunklen Einfahrt in den VW stiegen und der Wagen grummelnd zum Leben erwachte, war es, als hätten wir uns zu etwas viel Abenteuerlicherem verschworen als bloß der Suche nach Lichtern am Himmel. Wir hätten sonst wohin fahren können, immer auf der Jagd nach der verheißenen Magie. Sam drehte die Heizung bis zum Anschlag auf, während ich meinen Sitz zurückschob. Irgendwer hatte ihn bis ganz nach vorn gestellt. Sam griff über die Mittelkonsole und drückte kurz meine Hand, bevor er den Rückwärtsgang einlegte und aus der Einfahrt fuhr.
    »Bereit?«
    Ich grinste ihn an. Zum ersten Mal seit dem Krankenhaus, noch vor dem Krankenhaus, fühlte ich mich wie die alte Grace, die alles machen konnte, was sie sich in den Kopf setzte. »Ich bin seit meiner Geburt bereit.«
    Wir rasten die Straße hinunter. Sam streckte den Finger aus und strich mir sanft übers Ohr, wodurch er den Wagen leicht schief lenkte. Hastig richtete er den Blick zurück auf die Straße und lachte über sich selbst, ganz kurz nur, während er das Lenkrad wieder gerade zog.
    »Guck lieber mit aus dem Fenster«, bat er mich. »Ich kann ja anscheinend nicht mehr Auto fahren. Sag mir, wo wir hinsollen. Wo es am hellsten ist. Ich vertraue ganz auf dich.«
    Ich presste das Gesicht an die Scheibe und blinzelte in Richtung des Lichthauchs am Himmel. Zuerst war schwer zu erkennen, aus welcher Richtung er kam, also lotste ich Sam einfach die dunkelsten Straßen hinunter, so weit wie möglich weg vom Haus und von der Stadt. Dann, während die Minuten verstrichen, wurde es leichter, den Weg nach Norden zu finden. Jede Biegung trug uns weiter fort von Becks Haus, von Mercy Falls, vom Boundary Wood. Plötzlich waren wir meilenweit entfernt von unserem wirklichen Leben und fuhren eine pfeilgerade Straße runter, unter einem weiten, offenen Himmel mit Hundertmillionen Sternen, die wie ausgestanzt darin leuchteten, und die Welt um uns schien endlos. In einer Nacht wie heute fiel es nicht schwer zu glauben, dass vor nicht allzu langer Zeit die Menschen im bloßen Sternenlicht sehen konnten.
    »1859«, sagte ich, »gab es einen Sonnensturm, durch den das Nordlicht so stark leuchtete, dass die Leute bei seinem Licht lesen konnten.«
    Sam zweifelte nicht an dem, was ich sagte. »Wieso weißt du so was?«
    »Weil es interessant ist«, antwortete ich.
    Sein Lächeln war wieder da. Sein winziges, amüsiertes Lächeln, das besagte, wie charmant er meine überentwickelte linke Gehirnhälfte fand. »Erzähl mir noch was Interessantes.«
    »Die Aurora war so stark, dass alle Telegrafenbetreiber ihr Netz abgestellt und nur mit der Kraft des Nordlichts ihre Telegramme verschickt haben«, sagte ich.
    »Haben sie nicht«, protestierte Sam, aber es war klar, dass