In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)

in einem Vergewaltigungsprozess aussagte, der in irgendeinem Zusammenhang mit Geoff Willard stand. Dass Veronica sie als Gutachterin hinzugezogen hatte – und dank der inszenierten Pressekonferenz vor dem Gefängnis in aller Öffentlichkeit -, war zwar nicht überraschend, bedrückte sie aber doch. Veronica hatte nie vorgehabt, Anyas Expertise zu verwenden. Niemand konnte sie zwingen, auf ein Gutachten zurückzugreifen, das ihrer Sache schaden konnte. Und wenn sie zu zwanzig Spezialisten gehen musste, bevor sie einen fand, der ihren Mandanten in ein besseres Licht rückte, dann würde sie das tun. Die Medien warteten gespannt auf Anyas Zeugenaussage vor Gericht. Würde sie nicht aufgerufen, so konnte das den Ruf beschädigen, den sie sich so hart hatte erarbeiten müssen.
    Sie hatte die Situation nicht mehr unter Kontrolle. Nicht einmal die einfachsten Haushaltsarbeiten schien sie bewältigen zu können. Auf einmal sah sie überall im Haus Unordnung und Schmutz. Das war’s dann wohl mit dem Vorhaben, sich eine Putzfrau zu besorgen. Womöglich blieb ihr am Jahresende nicht einmal mehr das Geld für die Hypothek.
    Sie brachte die Küchenabfälle raus und trug dabei auch gleich die schmutzige Wäsche von gestern in die Waschküche. Der Wäscheberg, dem sie dort gegenüberstand, ließ sich nicht länger ignorieren. Also stellte sie den Müll hinaus und beschloss, noch schnell eine Trommel Weißes zu waschen, bevor Elaine kam, und sortierte rasch aus, was sie wohl am ehesten bald wieder brauchen würde. Sie gab etwas Waschmittel in die volle Trommel und wählte den Kurzwaschgang.
    Immer wenn sie die Waschmaschine füllte, musste sie an einen Fall denken, der ihr vor etlichen Jahren begegnet war. Ein Baby hatte schwere Kopfverletzungen erlitten, weil es in seinem Schaukelbettchen auf der Waschmaschine abgestellt worden war. Das Baby schlief, aber als der Schleudergang einsetzte, wurde das Kind geradewegs auf den Betonboden katapultiert. Der Mutter war völlig unerklärlich, wie das hatte geschehen können. Leider reichte Dummheit als Grund nicht aus, um der Mutter das Kind durch das Sozialamt entziehen zu lassen.
    Anya hörte den Anrufbeantworter ab. Es waren drei Nachrichten darauf. Martin hatte einer anderen Mutter aus der Vorschule ihre Adresse und Telefonnummer gegeben, damit Ben zum Spielen dorthin gehen konnte. Die Mutter würde sich irgendwann im Lauf der Woche melden. Anya kannte den Namen des Freundes nicht, aber das war kaum eine Überraschung. Sie hatte ihren Sohn nur einige wenige Male von der Vorschule abgeholt.
    Dan Brody wollte sich wegen der Willard-Geschichte kurz mit ihr zusammensetzen. Wieder ließ sein arroganter Ton Anyas Puls nach oben schnellen. Sie wollte nicht mit ihm reden, nicht heute. Sie löschte die Nachricht, bevor er ausgeredet hatte.
    Zu guter Letzt hatte ihr Vater sich gemeldet. Er sei kommende Woche in der Stadt und fragte, ob sie sich zum Abendessen treffen könnten.
    Sie setzte sich und schrieb den Satz auf, den Desiree so beiläufig hatte fallen lassen. Ihr Verhalten gegenüber Nick war eine Spur besitzergreifend, und doch betonte sie immer wieder, wie glücklich sie mit ihrem »guten Mann« sei.
    Wie war doch gleich Desirees Nachname? Sie strengte ihr Gehirn an. Watt? Putt? Patt? Hatte irgendwas mit Frisuren zu tun – Platt! Das war’s. Sie kringelte es für das nächste Gespräch mit Hayden vorsorglich auf dem Blatt ein.
    Dann schrieb sie auf, was sie über den Dorman-Mord wussten. Zwei von Geoffreys im Haus sichergestellten T-Shirts wiesen Spuren von Blut auf, das sich mit dem von Liz Dorman deckte. Die DNA-Beweislage gegen Willard war verheerend, dazu kamen noch die Einstiche, die denen im Fall Randall glichen: in Anzahl, Verteilung und Art. Und er hatte kein Alibi für die Nacht, in der Liz Dorman starb.
    Anya kam zu dem Schluss, dass beide Morde aller Wahrscheinlichkeit nach von ein und demselben Täter begangen worden waren.
    Gab es überhaupt einen Zusammenhang zwischen Liz’ Vergewaltigung und ihrer Ermordung? Aber das Foto, das bei ihrer Vergewaltigung vom Kühlschrank gestohlen wurde, tauchte nach dem Mord in ihrem Hausmüll wieder auf. Ein Serientäter, der sich Andenken von seinen Opfern mitnahm, um sie anschließend wieder zurückzubringen, wäre ihr neu.
    Aber Vergewaltigung und Mord mussten miteinander zu tun haben. War also Geoffrey Willard der Serienvergewaltiger? Oder arbeitete er mit einem Partner? Nick vielleicht?
    Mit einem fröhlichen »guten Morgen«