In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
der mit den Auswirkungen von Lerners Taten zu tun gehabt hatte, würde der Fall noch auf Jahre im Kopf herumgehen.
Sie konnte jetzt nichts weiter tun, als sich ganz auf Ben zu konzentrieren. Der Wetterbericht sagte Regen voraus, und so konnten sie den ganzen Tag im Haus verbringen und Schiffe versenken oder Mausefalle spielen. Und beim Konzentrationsspiel mit den Karten konnte sie absichtlich verlieren – nicht zu hoch, es musste schon nach einem knappen Sieg aussehen. Selbst kleine Kinder brannten darauf, einen würdigen Gegner zu besiegen. Bei diesem Gedanken grinste sie vor Stolz.
Nach dem Duschen schlüpfte sie rasch in den schmalen, blauen Rock, den sie beim letzten gemeinsamen Einkaufsbummel erstanden hatte. Er war nicht übermäßig praktisch, aber ihr Sohn liebte die Farbe und die Struktur der Wolle. Über den BH zog sie einen weiten Pulli, auch dies eines seiner Lieblingsstücke; und schließlich die Ugg-Boots. Endlich war ihr warm.
Sie stellte sich vor den Spiegel, beugte sich nach vorn, um sich die Haare trockenzurubbeln, und erstarrte, als sie die Schuhe hinter sich sah. In der Tür stand ein Mann.
Mit rasendem Puls riss sie den Kopf zurück und packte das Handtuch mit beiden Händen. Durch die Hitze und die plötzliche Bewegung verschwamm der Raum einen Moment lang vor ihren Augen.
»Dreh dich langsam um! Komm nicht auf irgendwelche blöden Ideen«, sagte er und spielte mit etwas Metallischem in seiner Hand.
Sie drehte sich zu ihm um und versuchte, die aufsteigende Panik zu bezähmen. Unter der schwarzen Kappe hob er die Augen. Sie hatte dieses Gesicht schon einmal gesehen.
»Ich hab zugesehen«, sagte er und ließ den Blick über ihre Beine und dann zur Brust hinaufwandern. »Du hast eine klasse Figur.«
Er war da gewesen, als sie geduscht hatte. Gott. Der Adrenalinstoß war so stark, dass sie sich fast übergeben hätte. Aber sie musste nachdenken. Schnell. Das kleine Bad hatte nur eine Tür und bot keine echte Fluchtmöglichkeit. Ein Fön war die einzig denkbare Waffe.
Als ahne er ihre nächste Bewegung voraus, hob er das eigenartige Kruzifix, das er an einer Kette trug, in die Höhe und drückte, so dass sie es sehen konnte, auf einen Knopf. Eine lange Klinge sprang daraus hervor, genau so eine, wie sie es Hayden beschrieben hatte; so eine, die die Abdrücke auf den Opfern hinterließ. Himmel, er trug das Messer an einer Kette um den Hals.
Mit pochendem Herzen traf sie eine gewagte Entscheidung. Sie wickelte sich das Handtuch um den linken Arm.
Er lachte. »Was hast du jetzt vor? Willst du mich zu Tode trocknen?«
Sie packte den Handtuchzipfel mit der linken Faust. Wenn das nicht klappte, dann würde er auf sie einstechen. Das Handtuch sollte den Aufprall abmildern. Nervös wartete sie auf den richtigen Moment.
Er starrte sie an, dann trat er einen Schritt vor.
Genau in dem Moment schnappte Anya sich das Haarspray, warf sich mit aller Kraft nach vorn und sprühte ihm ins Gesicht. Mit dem anderen Arm schlug sie nach dem Messer. Sie brauchte jetzt nur eine Chance zur Flucht.
Unter der Wucht des Schlages taumelte er zurück. Er griff sich an die Augen. Durch die offene Tür stürmte sie ins Schlafzimmer. Bis zur Treppe waren es nur ein paar Schritte.
Plötzlich riss er ihr den Kopf zurück, und Schmerz schoss ihr durch die Kopfhaut.
Er verdrehte ihr das Haar, um einen besseren Halt zu bekommen. »Du dummes Stück!«
Anya verkrallte sich in seiner Hand, wollte ihn dazu bringen loszulassen. Ungerührt schleifte er sie über den Fußboden zurück ins Zimmer. Zum Bett.
Jesus! Er würde sie vergewaltigen! Sie wusste, auf dem Rücken liegend hatte sie keine Chance, also rollte sie auf die Knie herum. Er keuchte schwer, doch sie war zu nah, als dass er hätte ausholen und sie schlagen können. Sie konnte das Messer nicht sehen und rappelte sich auf die Füße.
In einer einzigen Bewegung hob er sie hoch und warf sie auf das Bett. Bevor sie etwas dagegen tun konnte, saß er schon auf ihrer Brust und drückte ihr mit den Knien die Oberarme herunter. Sie bekam nur mit größter Mühe überhaupt noch Luft.
Sein Gesicht war wutverzerrt, als er ihr mit Wucht die Faust auf den Brustkorb rammte, so dass es ihr die wenige in den Lungen verbliebene Luft herauspresste.
Dann sah sie das Messer und machte sich aufs Äußerste gefasst.
50
Wegen des Schmerzes, den die Klinge am Brustbein verursachte, hob sie den Kopf. Jeder Muskel war unter seinem Gewicht bis zum Zerreißen gespannt. Einen Moment lang
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