In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
Verbrechen. Er ist in Ihr Haus eingedrungen und hat Sie vergewaltigt. Sie haben ihm weder Ihre Einwilligung noch das Recht dazu gegeben. Sie sind nicht schuld an dem, was passiert ist. Wenn jemand durch eine offene Haustür spaziert und die Stereoanlage mitnimmt, ist das dadurch nicht weniger ein Diebstahl, als wenn er erst die Tür eingeschlagen hätte.«
»Dort können Sie mich erreichen.« Elizabeth kritzelte eine Telefonnummer auf den Block und riss die untere Hälfte des Blattes ab – ohne den Briefkopf. »Sie können mich nach der Schule anrufen«, sagte sie hektisch und war verschwunden.
Anya blickte auf den Zettel. Darauf stand die Nummer der Hotline ihres eigenen Zentrums. Offensichtlich wollte Elizabeth – wenn das denn ihr wahrer Name war – nicht angerufen werden. Sie bezweifelte, dass sie sie hier je wiedersähen.
9
Anya hatte ein Faible für die Ausstattung von Dan Brodys Kanzlei. Die bücherbestandenen Wände und der Geruch nach ledergebundenen Gesetzestexten verliehen ihr etwas Altmodisches, Ehrfurchteinflößendes.
Auf einem Glastablett auf der Kommode stand eine Kanne frisch aufgebrühten Tees – Irische Frühstücksmischung dem Duft nach, ihre Lieblingssorte.
Dan brachte Milchkännchen und Zuckerdose. Zu essen gab es in diesem Raum nichts, denn davon blieben unvermeidlich Brösel und Unordnung zurück, und das konnte der Strafverteidiger auf den Tod nicht leiden.
Er schenkte zwei Tassen ein und fingerte nach den Zuckerwürfeln. Zum ersten Mal schien er sich in Anyas Gegenwart unbehaglich zu fühlen, und das wiederum machte sie nervös. Sie holte einen Ordner aus ihrer Aktentasche und fragte sich, ob sein Unbehagen daher kam, dass ihm das Treffen mit ihr irgendwie peinlich war, oder ob es mit dem kürzlichen Tod seiner Mutter zusammenhing.
Er setzte Tasse und Untertasse auf einem griffbereiten Untersetzer ab.
»Danke.« Anya reichte ihm den Ordner mit den Originalunterlagen des Falles. »Es besteht eine beträchtliche Chance, dass die Augenzeugin, die ihn identifiziert hat, sich irrt. Es ist definitiv möglich, dass dein Mandant sich nicht vor all diesen Frauen entblößt hat. Die rechtsmedizinische Untersuchung, die ich nach seiner Festnahme durchgeführt habe, hat keinen Hinweis erbracht, dass er kürzlich Geschlechtsverkehr oder einen Samenerguss gehabt hätte.«
Dan rührte den Tee um und nahm einen goldenen Füllfederhalter aus dem Ständer. Er lauschte Anyas weiteren Ausführungen.
»Die Staatsanwaltschaft könnte argumentieren, dass er nach dem Exhibitionismus im Park entweder gar nicht ejakuliert oder aber sich gewaschen hat, bevor er aufgegriffen wurde. Allerdings wüsste ich nicht, wie er sich in einer öffentlichen Toilette derart gründlich waschen sollte.«
»Andere Möglichkeiten?«
»Bei der Entnahme einer Probe kann es je nach Penisform vorkommen, dass Spermien oder Speichel nicht aufgenommen werden. Ich kann erläutern, wie ich das Ding gehalten habe, um eine höhere Ausbeute zu bekommen, aber es bleibt die sehr realistische Möglichkeit, dass es mir einfach durch die Lappen gegangen ist. Irren ist nun mal menschlich.«
»Exakt«, sagte er und malte ein Ausrufezeichen auf den Anwaltsblock.
»Es gibt noch etwas an deinem Mandanten, was von Belang ist.« Anya trank einen Schluck Tee und lehnte sich zurück. »Er leidet an der Peyronie-Krankheit. Wenn er sich tatsächlich vor all diesen Frauen entblößt hat, dann hätte eine von ihnen das bemerken müssen.«
»Kannst du das für einen Laien verständlich ausdrücken?«
»Ganz einfach. Er hat Verhärtungen unter der Haut seines Penis, was dazu führt, dass er sich bei einer Erektion stark krümmt.«
Der Anwalt zog eine Grimasse, was sie aber ignorierte.
»Wenn eine Frau seinen erigierten Penis anstarrt, dann müsste ihr das eigentlich auffallen.«
»Darf ich fragen, woher du das weißt, wenn er keine Erektion hatte, als du ihn untersucht hast?« Er hielt inne. »Sag mir bitte nicht, dass er …«
»Dan, er hat es mir geschildert , nachdem ich seinen ›Partytrick‹ partout nicht sehen wollte. Es gibt nicht viele Männer, die mit etwas prahlen würden, womit sie sich in der Umkleidekabine dem Gespött aussetzen. Abgesehen davon habe ich ihm nicht einfach blind geglaubt. Ich konnte bei der Untersuchung kaum verhärtetes Gewebe spüren, deshalb habe ich ein paar seiner Mannschaftskollegen befragt, und die haben zugegeben, dass sie beim Duschen nach einem gewonnenen Match gerne masturbieren. Deren Schilderung nach
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