In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
man nun im gemütlichen Heimkino ab. Das zumindest war die Theorie. Ironisch war nur, dass die Familien sich in ihrer Abschottung von den Nachbarn zwar sicherer fühlten, diese Siedlungen aber in der Statistik der Einbruchdiebstähle ganz oben standen.
Anya zögerte, bevor sie ausstieg. Wie Mary fühlte auch sie sich unwillkürlich schuldig an einem Tod, der hätte verhindert werden können. Wenn sie auch keine Ahnung hatte, wie das hätte geschehen können.
»Was wollen Sie denn hier?«, giftete Meira.
»Sie ist die Einzige hier, die das Opfer lebend gekannt hat, und sie ist immer noch Pathologin. Im Moment«, sagte Hayden, »brauchen wir alle Hilfe, die wir bekommen können.«
Autos rollten im Schritttempo vorbei, und etliche Beifahrer beugten sich heraus, um ein Foto vom Schauplatz der Tragödie zu schießen. Anya hätte zu gern gewusst, was aus diesen Fotos wurde. Man klebte sich so etwas doch wohl kaum für kommende Generationen ins Album.
»Die Spurensicherung ist fertig. Sie können rein«, erklärte einer der hinter die Absperrung abkommandierten, uniformierten Polizisten.
Aus reiner Gewohnheit streiften sich alle Polizisten die Schuhe auf der Türmatte ab, wenngleich das angesichts der Menge von Blut auf dem Läufer in der Diele nur wenig Sinn machte. Sie folgten der roten Spur bis ins Wohnzimmer. Überall umgab sie der Geruch des Todes. Eine Mischung aus Schweiß, Furcht und dem metallischen Geruch getrockneten Blutes stieg Anya in die Nase. Das sterile Formalin war ihr lieber.
Eine Lampe lag neben der Tür auf dem Boden, und kleine Markierungen bezeichneten die exakte Position.
Im Zimmer schlug ihnen Dunkel entgegen. Trotz der Mittagszeit drang kein Tageslicht von außen herein. Jemand knipste das Licht an. Alle Vorhänge waren zugezogen.
»Liebes Mietzchen«, sagte Meira und deutete auf eine ausgestopfte Katze auf dem Kaminsims.
Der einstmals lebendige Haustiger war in Angriffspose festgehalten und sah ausgesprochen unliebenswürdig aus. Ein Blutspritzer war auf seinem Gesicht gelandet.
An der Wand hing ein Plasmafernseher, in den Ecken standen Surround-Boxen. Alles war mit Blut bespritzt. Die größte Blutlache befand sich in der Mitte des Zimmers auf dem Boden. Hier hatte die Leiche gelegen.
»Ihr Freund hat gesagt, er hätte versucht, sie auf die Straße zu ziehen, um Hilfe zu holen. Das Telefon war tot und sein Handy nicht auffindbar«, berichtete der größere und jüngere der Mordkommissare. »Wir dachten, er verarscht uns, bis Sie uns angerufen haben.«
Zur Verdeutlichung erklärte Anya: »Elizabeth hat gesagt, sie sei auf dem Sofa eingeschlafen und aufgewacht, als der Vergewaltiger auf ihr lag.«
»Wieso hat sie keine ärztliche Untersuchung machen lassen, was meinst du?«, wollte Hayden wissen.
»Ganz sicher kann ich es nicht sagen, aber sie hat durchblicken lassen, dass sie sich für mitschuldig hielt, weil sie ein Fenster offen stehen ließ.« Sie sah sich im Zimmer um und sagte: »Der Verteilung des Blutes nach muss es ein äu ßerst gewalttätiger und verzweifelter Kampf gewesen sein. Es gab heftige Bewegungen, während er zustach.«
»Ganz so wild kann’s allerdings nicht gewesen sein. Die Leiche wies mehr als vierzig Einstiche auf, die meisten davon im oberen Brustbereich und am Hals.« Die Ermittlerin der Mordkommission überprüfte die Fenster im Zimmer. »Sie kann sich unmöglich bis zum Schluss gewehrt haben.«
»Das hängt von der Tiefe und Platzierung der Wunden ab. Wenn man sich die Menge des Blutes und die Reichweite der Spritzer ansieht, dann müssen zumindest einige Male Arterien dicht unter der Haut verletzt worden sein.«
Hayden hatte sich bislang erstaunlich still verhalten. »Ein Teil des Blutes könnte vom Vergewaltiger stammen.«
»Das werden wir erst in ein paar Tagen mit Gewissheit sagen können.« Der Ermittlerin gelang es nicht, das Fenster zu öffnen. Es war mit Brettern vernagelt. »Hier wird sich kein Spanner mehr aufgeilen.«
Langsam schritt die Gruppe das Haus ab. In jedem Zimmer waren die Fenster auf dieselbe Art verrammelt worden.
»Hat die Spurensicherung sich den Kühlschrank vorgenommen? Wenn es unser Mann ist, dann hat er sich womöglich einen Imbiss gegönnt«, warf Meira ein.
»Guter Punkt«, erwiderte Hayden. »Stellt sicher, dass das überprüft worden ist, und die Mülltonnen genauso, falls er irgendwelche Reste weggeworfen hat.«
Anya sah sich in der Küche mit den beschichteten Arbeitsplatten und den Fotos auf der
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