In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
missverstanden. Wenn Alf inkompetent ist, könnte es hier extrem kompliziert werden, und die Folgen für uns alle und für weiß Gott wie viele verurteilte Häftlinge könnten unabsehbar sein. Ich wollte damit nur sagen, wenn du Unterstützung oder Hilfe brauchst, ich bin für dich da.«
22
Ungewohnt erregt betrat Mary Singer den Raum. In der Hand hielt sie die Zeitung. »Hast du das gesehen?«
Anya betrachtete die Titelseite des Daily Telegraph . Von dort lächelte ihr das Bild einer Frau mit kurz geschorenem Haar und herabhängendem Ohrschmuck entgegen.
Die Schlagzeile lautete: »Horrorblutbad! Lehrerin ermordet.«
Sie überflog die ersten paar Zeilen und erschauderte. Elizabeth Dorman war in ihrem Haus in Kellyville bestialisch erstochen worden.
Die beliebte Highschool-Lehrerin …
Anya las nicht weiter. Es war die Frau von letzter Woche. Die mit der falschen Telefonnummer. Jemand hatte »Einfach Elizabeth« niedergemetzelt.
Mary sagte: »Meinst du, es könnte mit der Vergewaltigung zusammenhängen?«
Anya war wie betäubt. »Wäre doch seltsam.«
Vor einer Woche vergewaltigt und gestern Nacht – mit einem Messer – ermordet.
Sie las den Artikel zu Ende. Liz Dormans Lebensgefährte hatte mit seiner Band einen Auftritt in einer Kneipe gehabt und hatte die Tote, als er um zwei Uhr morgens nach Hause kam, in einer riesigen Blutlache auf dem Wohnzimmerboden gefunden. Das Zimmer war teilweise verwüstet, was darauf schließen ließ, dass Ms. Dorman sich gewehrt hatte.
»Die Arme.« Mary standen die Tränen in den Augen. »Ich habe sie nicht dazu gedrängt hierzubleiben, und sie hat ja auch dauernd gesagt, sie muss weg.«
Anya dachte kurz nach. Das wäre denn doch ein zu gro ßer Zufall, erst vergewaltigt und dann eine Woche später ermordet zu werden. Ihrem Auftreten nach war es durchaus denkbar, dass Elizabeth den Täter kannte und dass das der Grund seiner Rückkehr war.
»Ich muss der Polizei melden, dass sie bei uns war.«
»Und die Schweigepflicht?« Mary wischte sich die Tränen aus den Augen.
Anya trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte und entschied: »Unsere Verpflichtung gegen Elizabeth erlischt nicht mit ihrem Tod, aber wir haben auch eine Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber. Die Polizei muss von der Vergewaltigung erfahren. Ansonsten verdächtigen sie wahrscheinlich den Lebensgefährten. Und wir verhindern vielleicht, dass noch jemand ermordet wird.«
»Und wenn doch der Lebensgefährte der Täter war? Wir hätten stärker auf die Anzeichen achten sollen – zu verängstigt, um über den Tathergang zu sprechen, die unpassende Kleidung, hinter der sie sich versteckt hat. Häusliche Gewalt war keinesfalls auszuschließen.«
Mary schloss die Augen und sprach ein Gebet, was sie im Kreis der Kolleginnen bislang noch nie getan hatte. Anya erkannte, dass Mary sich irgendwie schuldig fühlte, weil sie sich nicht intensiver um Liz Dorman gekümmert hatte, obwohl sie alles in ihrer Macht Stehende getan hatte.
Anya verständigte die Mordkommission.
Hayden Richards, Meira Sorrenti und zwei Mitglieder der Mordkommission standen vor dem Haus in Kellyville. Obwohl es sich in erster Linie um eine Mordermittlung handelte, musste jedem möglichen Zusammenhang mit einem Sexualverbrechen gründlichst nachgegangen werden.
Auf dem Rasen vor dem Haus lagen Regionalzeitungen, und der Briefkasten quoll über mit Katalogen und Werbesendungen. Es hätte sich in nichts von jedem anderen Vorstadthäuschen unterschieden, wäre da nicht das Polizeiabsperrband gewesen, das sich um das ganze Grundstück zog.
Überall in der Gegend waren »McVillen« hochgezogen worden, wie die Presse das nannte. Lange Reihen immer gleicher Häuser, die die kleinen Parzellen praktisch bis auf den letzten Zentimeter ausnützten. Vorbei die Zeit der Gärten, dafür gab es nun zwei Stockwerke, vier Zimmer, Spielzimmer und Doppelgarage. Da die Hitze hier unerträglich werden konnte, besaß jedes Haus eine Klimaanlage, sehr zum Ärger der Umweltschützer und Strandanlieger, die das Glück hatten, sich die Meeresbrise um die Nase wehen lassen zu können. Deren Kritik füllte die Leserbriefspalten der Regionalzeitungen.
Als Mutter leuchtete Anya der Trend zu größeren Häusern mit mehr Platz ein, selbst unter Kinderlosen. Mit der Bürde einer Hypothek konnte man nicht mehr so oft ausgehen, also mutierten die eigenen vier Wände zum Mittelpunkt der Freizeitgestaltung. Zeit, die man ansonsten im Garten verbracht hätte, saß
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