In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
Kühlschranktür um. Auf zwei Bildern sah man Liz Dorman mit einem Mann, ein drittes Foto zeigte sie in geselliger Runde.
»Elizabeths Sprechweise und Verhalten auf der Station könnten darauf hindeuten, dass sie ihren Vergewaltiger gekannt hat«, sagte sie.
Wieder schien Meira der Geduldsfaden gerissen zu sein. »Vielleicht hat er das auch geschnallt und ist deswegen noch mal wiedergekommen.«
»Vielleicht ist es aber auch so, wie Quentins Profil es nahelegt, und er sieht sich als Gentleman und kam zurück, weil das ein Bestandteil seiner Fantasie ist. Nur, dass die Fantasie diesmal noch gewalttätiger wurde.«
Die Ermittlerin kontrollierte weiterhin die Fenster.
»Die Fenster nach hinten raus sind alle mit einem Schloss abgesperrt. Diese Frau hat eine sehr plötzliche Sicherheitsobsession entwickelt. Es ist in jedem Zimmer dasselbe.«
»Und wie ist er dann reingekommen?« Hayden flüsterte fast.
»Offenbar hat sie ihm die Haustür aufgemacht, hat einen Stich in den Rücken abbekommen und dann noch einen, als sie ins Wohnzimmer floh«, erläuterte der groß gewachsene Ermittler.
Anya betrachtete die Fotos auf dem Kühlschrank. Alle waren symmetrisch angeordnet, aber ein Platz war frei. Sie fragte sich, ob dort bis vor kurzem noch ein Foto gewesen war.
Ein Mann rief von der Haustür her: »Wer ist da? Ich muss jetzt rein.«
In der Tür stand ein unrasierter Mann mit V-Ausschnitt-T-Shirt und kurzen Hosen. Die sichtbaren Brusthaare waren mit Blut verklebt, und auch Hände und Gesicht waren verschmiert. Das musste der Lebensgefährte sein.
»Sie können reinkommen. Alles in Ordnung«, sagte der große Ermittler.
Vorsichtig wich er den Flecken auf dem Teppich aus und wandte den Kopf beim Vorübergehen vom Wohnzimmer ab.
»Greg hat die Leiche gefunden. Er ist der Freund von Elizabeth. Sie haben zusammen hier gewohnt.«
Er war ein gebrochener Mann, gebeugt und ungekämmt. »Ich hab keine Klamotten, nicht mal meine Geldbörse«, murmelte er.
Anya ging davon aus, dass er überall mit Blut besudelt gewesen sein musste, nachdem er die Leiche hinausgezerrt hatte, und dass die Polizei ihm auf dem Revier die Kleidung abgenommen hatte, um sie forensisch untersuchen zu lassen. Schließlich war er der Hauptverdächtige. Und bis zum Beweis des Gegenteils war er eine »Person von Interesse«.
Sie trat vor. »Ich bin Dr. Crichton. Ich habe Liz vergangene Woche kennen gelernt, als sie kurz zu mir in die Klinik kam, das war am Tag des Schulausflugs.«
Er wirkte verlegen und vermied jeden Blickkontakt.
»Haben Sie an diesem Vormittag draußen im Auto gewartet?«
Greg fuhr sich mit einer verschmierten Hand über das Gesicht, beugte sich über die Arbeitsplatte und fing zu weinen an. »Ich hab doch nicht gewusst, was ich machen soll«, schluchzte er eine ganze Weile, bevor er wieder zu Atem kam. »Sie hat überhaupt nicht zu Ihnen gewollt, aber ich hab sie gedrängt. Ich hab auch gesagt, dass sie zur Polizei gehen soll.«
Die Ermittler zogen sich unabhängig voneinander zur Tür zurück, um den beiden etwas Privatsphäre zu gönnen.
»Wissen Sie, weshalb sie solche Angst davor hatte?«
»Das sag ich besser nicht. Damit würde ich sie nur in Schwierigkeiten bringen.«
»Greg, das ist wichtig. Es kann der Polizei dabei helfen herauszufinden, wer ihr das angetan hat.«
»Sie hat gesagt, es könnte sie die Karriere kosten. In der Nacht, in der dieser Dreckskerl sie« – er hielt inne und biss die Zähne zusammen – »vergewaltigt hat, hatte ich einen Auftritt. Sie hatte Besuch von einer Freundin, und die beiden haben bis spät abends ein paar Joints geraucht und Wein getrunken. Dann ist sie auf dem Sofa eingeschlafen.« Er schien alle Kraft zusammenzunehmen. »Sie hatte Angst, sie wird gefeuert, wenn die Schule davon erfährt, und dass ihr ja sowieso niemand glauben würde.«
Nun war Anya klar, weshalb Liz Dorman sich gegen eine Untersuchung gesperrt hatte. Sobald sie Anzeige erstattete, konnte das Ermittlungsverfahren an den Tag bringen, dass sie Alkohol und Marihuana im Blut gehabt hatte, und das wiederum konnte strafrechtliche Folgen für sie selbst haben. Ihr musste klar gewesen sein, dass ihre Glaubwürdigkeit als Vergewaltigungsopfer in Zweifel gezogen würde. Schweigen musste ihr als der einzige Ausweg erschienen sein.
»Hat sie Ihnen irgendetwas über die Tat erzählt?« Anya war sich bewusst, dass Greg nach wie vor Elizabeths Vergewaltiger und Mörder sein konnte. Das Szenario war nur zu bekannt. Aber
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