In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
reden.«
»Es ist möglich«, erklärte Anya, »dass Geoff gar nicht Eileen Randalls Mörder ist.«
Mrs. Willard legte Messer und Gabel hin und schien tiefer in den Sessel zu sinken.
»Das kann nicht sein«, stammelte sie.
Die Vorstellung, dass einer Mutter nie der Gedanke gekommen war, ihr Sohn könne womöglich unschuldig sein, war Anya unbegreiflich. Und wenn er unschuldig war, dann musste das unendlich schmerzlich für Geoff Willard gewesen sein.
»Sie verstehen das nicht«, sprang Nick ihr bei. »Niemand hat was sagen wollen, so wie sie ums Leben gekommen ist, aber Eileen Randall war nun mal alles andere als eine Heilige. Sie war die Dorfpritsche und eine Oberzicke obendrein.«
»Sei still, Nick. Das Mädchen ist tot, um Himmels willen.«
Nick senkte den Kopf.
»Was mein Neffe damit sagen will: Sie hatte einen schlechten Ruf.«
»Und den hat sie sich verdient. Die Hälfte von den Jungs aus dem Ort hat sie rüberlassen und von den Bergarbeitern sogar noch mehr. Sie hat sogar damit geprahlt, mit wem sie schon geschlafen hat.«
Mrs. Willard nahm ihr Klapptischchen und entschuldigte sich.
»Haben Sie je etwas mit Eileen gehabt?«, fragte Hayden leise.
Nick nickte. »Wie alle. Ich war mit einem Mädchen zusammen, und Eileen hat es gar nicht erwarten können, es ihr brühwarm zu erzählen. Daran hat sie sich aufgegeilt. Diese verlogene kleine Schlampe.«
Anya versuchte, sich die kleine Randall vorzustellen. Mit vierzehn war sie juristisch und seelisch noch ein Kind. Jeder Mann, der mit ihr Verkehr gehabt hatte, hatte sie vergewaltigt. Und jetzt saß Nick da und spielte den Moralapostel.
»Hat sie mit Geoffrey geschlafen?«, fragte sie und bemühte sich, jeden anklagenden Unterton zu vermeiden.
»Nicht doch. Idiot hat sie ihn genannt und sich über ihn lustig gemacht. Sie hat ihn angemacht und ihn aufgegeilt, und dann hat sie ihm gesagt, wie widerlich er ist, um ihre Freundinnen damit zum Lachen zu bringen. Man kann es Geoff nicht verübeln, wenn er es getan hat. Sie hat es sich selbst eingebrockt.«
Hayden ging dazwischen. »Wenn sie so schlimm war, weshalb haben Sie dann mit ihr geschlafen?«
»Weil sie mich gelassen hat. Hey« – Nick zuckte die Schultern -, »ich bin auch nur ein Mensch.«
Im Hintergrund erklang die Titelmusik der Serie, und Nick aß wieder weiter. Er griff nach der Fernbedienung und schaltete auf eine andere Seifenoper um.
Hayden warf einen Blick in sein Notizbuch. »Sagt Ihnen der Name Melanie Havelock irgendetwas?«
»Lange dunkle Haare? Das ist die, die so in Geoff verschossen ist.«
Hayden warf Anya einen raschen Blick zu. Anya hielt den Atem an. Nick hatte Hayden soeben die nötige Verbindung zwischen Melanie und Geoff geliefert, ohne dass Anya das Foto erwähnen musste.
»Sie kennen Sie?«, fragte Hayden.
Nick schluckte. »Nicht persönlich, aber ich hab den Brief gelesen, den sie Geoff geschickt hat. Ziemlich scharfes Zeug.« Sein Blick wich nicht vom Fernseher.
»Sie hat Ihrem Cousin geschrieben? Wann?«
»Kann ich nicht sagen, aber sie hat ein Foto mitgeschickt. Ach doch, sie hat es ihm bei seiner Entlassung in die Tasche gesteckt. Sie hat ihm direkt Angst gemacht, mit all dem Sexkram. Muss’ne ganz schön Wilde sein, so wie sich das anhört.«
Anya konnte sich nicht vorstellen, dass Melanie Geoff jemals geschrieben hätte. »Dürfen wir mal sehen?«
»Halten Sie mich für blöd? Sie wollen doch Geoff nur schon wieder was anhängen.«
»Im Gegenteil.« Anya startete einen Versuch. »Es kann sein, dass Ihr Cousin reingelegt wurde, und der Brief würde uns ein großes Stück weiterhelfen.«
Hayden unterdrückte ein Grinsen, als Nick aus dem Zimmer ging. Er kam mit einem ausgestopften Hund unter dem Arm zurück.
Instinktiv rutschte Anya zurück.
»Keine Angst«, sagte er. »Das ist Braunauge, mein alter Kumpel. So tot, toter geht’s gar nicht.«
»Ich wusste nicht, dass Ausstopfen wieder in Mode ist«, wunderte sich Hayden. »Wie lange ist er denn schon so?«
»Hab ihn sieben Jahre gehabt, bis er vor, ähm, ungefähr fünfzehn Jahren überfahren worden ist. Hab ihn immer in meiner Nähe.« Er stellte Braunauge auf dem Teppich ab und zog einen Brief unter seinem Halsband hervor.
»Da haben die Bullen nicht gesucht. Ist doch ein gutes Versteck, oder?«, sagte er augenzwinkernd zu Anya und reichte Hayden den Brief.
Der Ermittler faltete den Brief auseinander und las die ersten Zeilen laut vor. »Lieber Geoff, ich konnte es kaum erwarten, bis du draußen
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