In deinen schlimmsten Träumen: Roman (German Edition)
Abfalleimer und ließ die Spüle ein Drittel mit Wasser volllaufen. Wegen einer Dürre galten in ganz Neusüdwales strenge Wassersparbestimmungen, und der Geschirrspüler durfte nur so wenig wie möglich benutzt werden.
Mit einem Trockentuch stellte Peter sich neben den Abtropfständer.
»Vor vielen Jahren hat er ein Prozessgutachten zum Tod von zwei Kindern aus derselben Familie abgegeben, wobei die ärztliche Diagnose auf plötzlichen Kindstod lautete. Das war zu der Zeit, als etliche Pathologen, darunter auch Alf, zu der Ansicht kamen, dass es so etwas wie plötzlichen Kindstod gar nicht gibt und es sich bei jedem dieser Fälle um einen nicht aufgedeckten Mord handelt.
Ein ziemlich scharfer Staatsanwalt hat dann unter Berufung auf Alfs Aussage erreicht, dass eine junge Mutter, die zwei Kinder verloren hat, verurteilt wurde.« Er hielt den ersten Teller hoch, ließ ihn über der Spüle abtropfen und trocknete ihn ab. »Sie hatte schon ungefähr fünfzehn Jahre im Gefängnis gesessen, als Alf die Autopsie ihrer Nichte durchführte, die im Säuglingsalter gestorben war. Dabei stieß er auf eine Stoffwechselabnormität, von der die gesamte Familie betroffen war. Alf machte sich die Mühe, die Gewebeproben der übrigen Babys noch einmal zu analysieren. Sie hatten alle dieselbe Krankheit. Man hatte eine Unschuldige für den Mord an ihren Kindern verurteilt.«
Schweigend hörte Anya zu, und sie wusste, angesichts verbesserter Testverfahren würde man heute wahrscheinlich eine Fülle ähnlich gelagerter Fälle feststellen können.
»Etwa zur selben Zeit brachte Alfs Frau ein totes Baby zur Welt, und er hielt es für ein Zeichen Gottes, der ihn für all die Jahre strafte, die diese Frau unschuldig im Gefängnis gesessen hatte. Daraufhin machte er sich mit alternativen Heilverfahren vertraut und entwickelte diese fixe Idee vom Vitamin-C-Mangel.«
Anya zog den Stöpsel. »Was ist aus der Frau geworden?«
»Sie wurde freigesprochen, aber ihr Ehemann hatte sie verlassen, und sie konnte keine Kinder mehr bekommen. Er hat sie aber all die Jahre nicht aus den Augen gelassen.«
»Das ist tragisch. Die Wahrheit ist, wahrscheinlich wären wir damals alle zu denselben Ergebnissen gelangt. Aber Alf hat niemandem geholfen, indem er die Sache überkompensierte und damit die Aufklärung wirklicher Morde sabotierte. Es gibt Familien, in denen ist mehr als ein Kind durch Missbrauch ums Leben gekommen. Hältst du das vielleicht nicht für kriminell?«
Peter nickte. »Ich glaube nur, dass nichts mehr so einfach ist.«
Anya trocknete sich die Hände ab und streichelte ihn am Arm. »Normalerweise bin ich doch immer diejenige, die jedes Unrecht wiedergutmachen will, und du bist der beschwichtigende Realist.«
»Vielleicht hat die Schülerin den Lehrer überflügelt.«
»Niemals!« Sie lächelte. »Ich wollte dich um deinen Rat in der Willard-Sache bitten.«
Peter legte das Trockentuch zusammen und hängte es über den Griff der Backofentür. »Das hat solchen Wirbel gegeben, dass ich mich sogar daran erinnern kann.«
Anya räumte die Teller ein und schlug hektisch die Schranktür zu. »Die Akte ist in meinem Büro, wenn du sie dir ansehen willst.«
Sie gingen an Ben vorbei, der auf dem Bauch lag und eine Art Laster in sein Heft malte, während er gleichzeitig Sylvester dabei zuschaute, wie er Tweety zu fangen versuchte.
Sie betraten das Büro, in dem Braunauge Wache hielt und sie aus seinen Glasaugen anstarrte.
»Was …«
»Das geht morgen zurück an den Besitzer. Frag lieber nicht«, sagte sie und gab Peter die Autopsieberichte über Eileen Randall und Liz Dorman. Er las sie geraume Zeit, bevor er wieder etwas sagte.
»Es gibt klare Parallelen, aber der Todeszeitpunkt liegt eindeutig in einem größeren als dem hier aufgezeigten Fenster. Das Mädchen kann deutlich früher gestorben sein, vor allem, wenn sie im Meer trieb, was definitiv der Fall gewesen sein muss.« Er ließ den Blick nach unten wandern. »Bei einem kurzen Untertauchen hätten niemals so viele Krebslarven ihren Weg in die Brusthöhle gefunden. Und die postmortalen Wunden sind interessant. Nach einer Tötung im Affekt kommt es gewöhnlich nicht zu solchen Verletzungen.«
»Und falls nun«, meinte Anya, »ein anderer als Willard das Mädchen am Strand ermordet und vergewaltigt hat und er nur die Leiche aus dem Meer zog?«
»Das würde die Blutflecken auf seinem T-Shirt erklären.«
»Ist es nicht unsere Pflicht, dem zumindest nachzugehen und ein mögliches
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