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In deiner Hand

In deiner Hand

Titel: In deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Tintenfee Lewis
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wohl den Arsch offen!“, schnauzte ich und baute mich, mit gebührendem Sicherheitsabstand, vor dem Kerl auf. Er legte den Kopf mit laut knackenden Halswirbeln erst auf die eine, dann auf die andere Seite. Dann ließ er sich dazu hinreißen mit jedem seiner Muskeln zu protzen, die er unübersehbar unter dem Jackett mit sich herumtrug.
„Was haste gesagt, Kurze?“, meinte er schließlich und trat einen erschreckend großen Schritt auf mich zu.
„Master! Lass den Blödsinn und hilf mir!“, ertönte hinter ihm eine schneidige Stimme, die zu einem Kerl mit öligen, schwarzen Haaren gehörte, der sich aus dem offenen Hinterfenster beugte. Er war leichenblass und besaß heftige Augenringe. Der Kerl sah alles andere als gesund aus.
„`Tschuldige!“, murmelte der Riese, der übrigens eine bescheuerte Stachelfrisur trug, und öffnete blitzschnell den Kofferraum. Mit geschickten Griffen pflückte er einen zusammenklappbaren Rollstuhl heraus, den er neben sich auf den Bürgersteig stellte. Ebenso geschickt hob er den Typen aus dem Auto und setzte ihn in den Stuhl. Mein neugieriger Blick fiel auf dessen verkümmerte Beine, die nur noch Haut und Knochen zu sein schienen. Der Kerl gab ein merkwürdiges Geräusch von sich und bedeckte seine Beine mit einer roten Decke. Dann drehte er den Kopf in meine Richtung und lächelte müde. Mir gefror bei diesem Anblick das Blut in den Adern. Ich wusste nicht warum, aber der Kerl strahlte eine düstere Bedrohung aus, die all meine inneren Sirenen zum Schrillen brachte.
Gerade wollte er etwas sagen, als eine dunkle Limousine mit quietschenden Reifen um die Kurve schoss und den Asphalt zum Qualmen brachte. Sie hielt direkt hinter dem Mercedes. Mehrere Türen schwangen gleichzeitig auf und eine murrende Meute von erstaunlich schick gekleideten Fremden ergoss sich auf den Gehweg.
„Oh diese Vollidioten!“, stöhnte der Riese im Anzug und klatschte die flache Hand gegen seine Stirn.
„Was habta an „unauffällich“ eigentlich nich´ verstandn?“, brüllte er und stieß die Fäuste in die Luft. Dann begann er in einer merkwürdigen Sprache zu schimpfen, dass es mir den Magen verknotete. Sofort löste sich die Traube der erschrocken dreinblickenden Leute auf und verschwand wieder in dem Wagen. Gerade als dieser rückwärts aus der Parklücke schlängelte, entdeckte ich am östlichen Ende der Straße mehrere dunkle Autos mit blitzenden Motorhauben, die sich im Schritttempo näherten.
„Ich hab Onyx gleich gesagt, dass es hirnrissig ist, diese Versammlung am helllichten Tag zu halten! Wo um Himmels Willen will er all diese Idioten unterbringen? Er hätte nach Boston kommen sollen!“
Ich hatte wohl ein bisschen zu laut nach Luft geschnappt, denn die beiden Kerle fixierten mich plötzlich mit stechenden Blicken. Hinter ihnen fuhr eine Handvoll teuer aussehender Autos langsam vorbei. Der Typ im Rollstuhl räusperte sich mit dezent vor den Mund gehaltener Hand.
„Mir ist nach ein wenig Schokolade, Master!“
„Bin schon weg!“, presste der Riese hervor und verschwand im Kiosk, jedoch nicht ohne mir einen weiteren neugierigen Blick zuzuwerfen. Als die Tür sich hinter ihm schloss, wandte sich der andere mir zu.
„Geh nach Hause, kleines Mädchen!“, wisperte er und streckte einen mageren Zeigefinger in meine Richtung. „Deine Stadt ist heute nicht sicher!“
Er verdrehte den Finger und sah mich abwartend an. Dass ich keine Anstalten machte, die Kurve zu kratzen, zauberte dem Kerl erstaunlich tiefe Falten auf die Stirn. Er kniff die Augen zusammen und musterte mich genauer. Sein Blick schien mich nicht nur körperlich zu messen. Es fühlte sich an, als dringe er bis in meine Seele. Mit einem erstickten Laut ließ er von mir ab. Seine blassen Hände ballten sich in seinem Schoß. Mit bebenden Schultern saß er da und gab keinen Ton mehr von sich.
„Das ist also der Grund“, murmelte er schließlich und schüttelte kaum merklich den Kopf. Für einen Moment sah er sehr viel älter aus, als er war. Binnen weniger Herzschläge verwandelten sich seine Gesichtszüge in eine undurchdringliche Maske, wie eine Puppe. Ich stand da und glotzte den Typen an, darauf wartend, dass er sich wieder rührte.
Er sah wirklich seltsam aus, wie er so reglos in dem Stuhl hing, mit leicht vornüber gebeugtem Oberkörper, krank und irgendwie sogar tot. Der Anblick bereitete mir eine heftige Gänsehaut. Unwillkürlich legte ich eine Hand in meinen Nacken und versuchte das aufkeimende Unwohlsein fort zu

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