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In deiner Hand

In deiner Hand

Titel: In deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Tintenfee Lewis
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reiben.
Eine gefühlte Ewigkeit verging und ich begann mich zu fragen, wer er war und was er hier wollte, welche Vergangenheit er besaß und was ihn letztlich an den Stuhl gefesselt hatte. War es ein Autounfall gewesen?
Plötzlich durchbrach seine versteinerte Miene das Aufblitzen eines breiten Lächelns, bis er sich in seinem Rollstuhl vor Lachen krümmte. Nie zuvor war mir jemand begegnet, der derart schauderhafte Laute von sich gab, wie der.
„Sie wollten mich zerreißen!“, spie er zornig und verstummte wieder. Eine einzelne Träne perlte über seine Wange hinab zu seinem Kinn. Er wischte sie mit der Faust so hart fort, dass es eher den Anschein erweckte, als wollte er sich selber einen Kinnhaken verpassen. Erst als ich die Regentropfen wie kleine Stiche auf meiner Haut spürte, wurde mir klar, dass er gar nicht weinte. „Geh nach Hause, Mädchen!“, forderte er streng, wich meinem Blick aber aus. „Du gehörst nicht zu uns …“, murmelte er und ob er es beabsichtigte oder nicht, ich verstand auch den Rest seiner Worte.
„… noch nicht!“, hatte er geflüstert.
Der Riese kam aus dem Kiosk gestampft wie ein Panzer auf zwei Beinen.
„Du bist ja immer noch hier!“, schnauzte er geringschätzig in meine Richtung, warf mir aber einen Karamellschokoriegel zu. „Verschwinde endlich, du dummes Blag! Hier gibt’s nix zu glotzen!“
„Lass sie!“, zischte der Kerl neben ihm plötzlich und nickte nach vorn. „Lass uns bitte aufbrechen! Ich möchte vor den anderen bei ihm sein. Wir haben ein paar grundlegende Dinge zu besprechen.“
Der Dunkelhaarige beugte sich durch das immer noch geöffnete Wagenfenster ins Innere und murmelte etwas. Kurz darauf setzte sich der Schlitten in Bewegung. Wäre ich ein Durchschnittsteenager mit stinknormalen Hobbys und Interessen, käme mir vermutlich die unglaublich coole Idee, den beiden heimlich zu folgen. Stattdessen steckte ich die Schokolade in meine Hosentasche und wandte den beiden den Rücken zu. Wer auch immer sie waren, was auch immer sie mit Onyx am Hut hatten, nichts dergleichen machte mich neugierig. Ganz im Gegenteil! Mich ärgerte, dass dieser Vollidiot von Blutsauger irgendein bescheuertes Freaktreffen in meiner Stadt veranstaltete.
Oh, es lag auf der Hand, dass ein Großteil derer vermutlich zur Spezies der Venenöffner gehörten und es wurmte mich gewaltig, dass diese Verrückten jetzt den ganzen Tag hier herumwanderten und es vermutlich auch noch die ganze Nacht tun würden. Auf der Suche nach leichter Beute. Möglicherweise einer der Gründe, wieso der Rollstuhlfutzi mich heimzuschicken gedachte. Allein bei dem Gedanken daran, all diese Bekloppten in meiner Nähe zu wissen wurde mir ganz anders zumute.
    Daheim angekommen versuchte ich mich den ganzen Nachmittag mit Schnulzfilmen im FreeTV abzulenken, zappte durch eine nervtötende Oprah Winfrey-Talkshow in der gepimpte Blondinen mal wieder ihre Möpse in die Kamera hielten und stoppte schließlich bei irgendeinem Cartoon über zwei Laborratten, die planten die Weltherrschaft an sich zu reißen. Die kleine Fette, Brain, war erstaunlich hässlich und ich verlor mich eine kurze Zeit lang darin, mir Brian als Laborratte mit Schrauben im Schädel und einem putzigen, gekringelten Schweineschwanz vorzustellen. Irgendwie fand ich die Vorstellung dann doch nicht mehr so witzig und seine Reaktion von letzter Woche stahl sich wieder in meine Erinnerungen. Es wurmte mich gewaltig, dass mir das immer noch so schwer zu schaffen machte. Ich verkörperte ein Problem … Brians Problem. Aber worin genau das bestand, war mir völlig schleierhaft.
„Verfluchte Kacke!“, grummelte ich, schmiss die Fernbedienung in eine Ecke und stapfte in den Flur. Zur Hölle mit diesem bescheuerten, blutgeilen Wichser! Ich musste mich auf Malik konzentrieren! Alles andere konnte mir getrost gestohlen bleiben! Was tat man also, wenn man ein wirkungsvolles Mittel gegen Vampire suchte und gerade keinen Baseballlschläger zur Hand hatte? Nein! Man geht in eine Videothek und leiht sich Horrorfilme aus! Natürlich würde ich lieber auf kuriosen Seiten im Netz surfen, aber Mum hatte sich dazu hinreißen lassen, das Modem mit in den Kurzurlaub zu nehmen. Kein Internet für mich! Ich könnte in ihrer Abwesenheit ja irgendwelche Kerle mit düsterer Vergangenheit kennenlernen...

Draußen vor dem Haus stolperte ich fast über den blöden gelben Gummiball, der mir just in dem Moment vor die Füße fiel, als ich einen Fuß auf den Rasen setzen wollte.

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