In deiner Hand
Fluchend kickte ich das Ding zur Seite und ignorierte Henriette, die auf dem Gehweg stand und keine Anstalten machte ihn zu holen. Ich spürte ihren Blick auf mir ruhen bis ich am anderen Ende der Straße nach rechts abbog, ab da folgte mir dann ein Wagen, der alles andere als unauffällig neben mir her rollte. Das Fenster glitt leise summend nach unten und der Wurstkopf mit dem verwüsteten Narbengesicht sah mich an. Er lenkte den Wagen ohne nach vorn zu blicken. Ich sah stur geradeaus und presste die Kiefer zusammen damit mir kein blöder Kommentar heraus rutschte. Immerhin durfte ich ja erfahren, wie schnell und kopflos dieser Idiot von Schusswaffen Gebrauch machte und ich hätte meinen Knackarsch darauf verwettet, dass die fette Wumme in diesem Augenblick auf seinem Schoß ruhte. Vermutlich tätschelte er sie sogar und flüsterte ihr in Gedanken Liebkosungen zu. Der Typ fuhr bis in die Innenstadt neben mir her. Ihn störte nicht im Mindesten, dass andere Autofahrer laut hupend und den Mittelfinger oder einen Vogel zeigend an ihm vorbeifuhren. Ihr Verhalten war durchaus nachvollziehbar! Immerhin hielt er mit seinem Schneckentempo den ganzen Verkehr auf. An der ersten Kreuzung erlaubte ich mir frecherweise stehen zu bleiben, obwohl ich gehen durfte. Ich rührte mich auch nicht vom Fleck als die Ampel für die PKWs auf grün umsprang, der Wurstkopf tat es mir gleich. Ein wütendes Hupkonzert setze ein. Innerlich feixend blieb ich weiterhin stehen und beschäftigte mich ausgiebig mit dem Betrachten meiner Schnürsenkel, danach puhlte ich höchst konzentriert an meiner Jeanshose. Natürlich lauschte ich nebenbei und wartete darauf, dass einer der Fahrer die Nerven verlor, aus dem Auto sprang und nach vorn ging, um dem Wurstkopf die Fresse zu polieren. Als es wenige Augenblicke zu eben jener Situation kam, klappte mir dann doch der Kiefer auf. Der schwergenervte Fahrer hatte sich ins Wageninnere gebeugt und den Kerl angeschrien. Innerhalb einer Hundertstelsekunde verstummte er und ich konnte förmlich vor mir sehen, wie seine Schließmuskel den Geist aufgaben. Er zog den Kopf zurück, den Lauf einer gigantischen Knarre vor die Stirn gedrückt. Unterdessen färbte sich die hellblaue Jeanshose des Mannes im Schritt dunkel. Mir fiel kaum auf, wie bedrohlich die Situation eigentlich war. Erst als der Wurstkopf die Fahrertür aufstieß und sich aus dem dunklen Innenraum pellte, musste auch ich schlucken. Die Knarre war so lang wie sein ganzer Unterarm und ich fragte mich, ob sowas für den Privatgebrauch überhaupt zulässig war. Aber gut, Amerika … die waren hier doch sowieso alle gestört.
Er beugte sich vor und seine schmutzig wirkenden Haarzöpfe fielen ihm in die Stirn. Im Schein der Untergehenden Sonne sahen seine Narben noch heftiger aus. Der eben noch pöbelnde Autofahrer, kniete nun wimmernd vor ihm, beide Hände wie zum Gebet vor der Brust verschränkt.
„Verpiss dich!“, knurrte der Kerl. Jemand hatte bestimmt die Bullen gerufen! Denn gerade als der zitternde Autofahrer aufstand, ertönten unweit entfernt die ersten Sirenen. Der Wurstkopf warf mir einen schwergenervten Blick zu, sprang in seinen Wagen und verschwand mit durchdrehenden Reifen gen Westen. Wobei er ganz sicher zwanzig Verkehrsregeln auf einmal brach.
Plötzlich hatte ich es ganz eilig, dort wegzukommen. An einer Zeugenaussage war ich ja nun gar nicht interessiert! Schnell, einen Tick zu schnell für sterbliche Verhältnisse, schlüpte ich zwischen den gestauten Autos hindurch und verschwand. Zwei Streifenwagen schossen an mir vorbei, dann herrschte auch schon wieder Ruhe. Kopfschüttelnd marschierte ich weiter. Der Idiot musste mich ja auch so provozieren. Hoffentlich bekamen die Cops den zu fassen und sperrten ihn schön weit weg. Am besten nach Alcatraz.
Auf dem Weg zur Videothek - warum die immer noch so genannt wurden, obwohl es doch keine Videokassetten mehr dort zu leihen gab, verstand ich nicht – versank ich in boshaften Gedanken über eingekerkerte Vampire auf „The Rock“. Ich zwängte mich an ein paar Spielefreaks vorbei, die vor dem Playstation-Regal direkt neben dem Eingang standen und angeregt über irgendwelche Spielverfilmungen laberten. Die Abteilung für Volljährige lag hinter einer angelehnte Tür. Kaltes Neonlicht sickerte durch den Spalt auf den Boden. Merkwürdigerweise bekam ich sofort eine eisige Gänsehaut. Mir nichts anmerkend, steuerte ich mit hoch erhobenem Haupt darauf zu. Bevor ich die Tür jedoch erreichen
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