In deiner Hand
„Also? Hast du … hast du ihn nicht lieb, dass du ihm so weh tust?“
„Ich weiß wirklich nicht wovon du redest.“ Ich gähnte übertrieben, streckte die Arme in die Luft und marschierte zur Treppe. „Ich geh jetzt schlafen.“
„Wie kannst du nur schlafen!“, rief sie empört und feuerte den Ball in meine Richtung. Ja genau! Sie feuerte ihn. Sie warf ihn nicht wie ein schwächliches Kind! Der Ball donnerte an mir vorbei und fegte einen Blumenkübel vom Geländer.
Ach du heiliges Kanonenrohr!
„Netter Treffer“, krächzte ich und versuchte mir nicht die aufsteigende Panik anmerken zu lassen. Ich wich weiter vor der näherkommenden Person zurück und stolperte über die unterste Treppenstufe. Haltsuchend streckte ich die Hand nach hinten, um meinen Fall abzufangen.
„Du hast ihn nicht lieb. Du hast ihn überhaupt nicht verdient!“, warf sie mir nun in einer Tonlage vor, mit der sie unter anderen Umständen einen Fausthieb von mir kassiert hätte. War ich tatsächlich so gewalttätig, wie Annie behauptet hatte? Gott, die Kurze war ein Kind. Okay, ein verdammt gruseliges, aber eben doch nur ein Kind. Ich durfte nicht einmal daran denken ihr Gewalt anzutun. Es sei denn sie griff mich an. Wie sie es just in diesem Augenblick auch tat.
Ihre dunklen Augen blickten mich so mordlustig an, dass ich wie erstarrt dastand und mich von dem winzigen bisschen Mensch von den Füßen reißen ließ. Nur fühlte es sich eher an, als wurde ich von einem Elefantenbullen von den Füßen gehauen. Ich schlug so hart auf dem Holzboden auf, dass ich benommen liegen blieb.
Es gab einen Disneyfilm,
Arielle
, und das Gebiss von Henriette und wie sie begann nach mir zu schnappen, erinnerte mich ungemein an den blöden Hai, der Arielle und Fabius durch das Schiffswrack jagte. Immer wieder krachten ihre Kiefer laut aufeinander und ihre Augen quollen ihr dabei fast aus den Augen. Völlig unbewusst stemmte ich meine Knie gegen sie und versuchte das kleine Monster von mir zu schieben, wobei ich sie nicht besonders zurückhaltend würgte.
Zum Glück waren ihre Arme zu kurz, um mir die Kehle aufzureißen!
Urplötzlich hielt sie inne. Speichel, oder vielleicht sogar Gift, tropfte auf meine Strickjacke. Schwer atmend lag ich unter ihr, während ihre Knopfaugen mich musterten. Ich war natürlich nicht so bescheuert, sie loszulassen, worauf sie vermutlich wartete. Stattdessen versuchte ich hochkonzentriert zu überleben, denn die Kurze erweckte nicht den Anschein, als würde sie von mir ablassen, bevor ich jämmerlich krepierte. Voller Entsetzen wurde ich von ihren Fingernägeln abgelenkt, die sich wie kleine Rasierklingen in meinen Unterarm bohrten, höher kam sie nicht. Sie hakte ihren Unterkiefer aus, was mich sofort an die Szene aus dem Vampirfilm erinnerte. Ich konnte nichts dagegen machen! Der panische Schrei brach einfach aus mir heraus und mit ihm eine Kraft, die ich auf den Adrenalinstoß zurückführen würde. Ich schlug wild um mich und einer göttlichen Fügung wegen gelang es mir, das kleine Miststück von mir zu stoßen. Kreischend fiel sie nach hinten von der Veranda. Sofort richtete ich mich auf und ignorierte das heftige Stechen an meinen Armen. Wie eine Miniaturausgabe eines Tigers, kauerte Henriette auf dem Boden, beide Hände rechts und links ins Gras gestützt und starrte mich Zähne fletschend an. Ich schluckte schwer.
„Taylor wird nicht kommen um dir zu helfen“, knurrte sie und gackerte leise. „Niemand wird kommen um dir zu helfen!“ „Was willst du von mir?“, rief ich verängstigt. „Was zum Teufel willst du von mir?“
„Jette!“, zischte es irgendwo aus der Dunkelheit. Ich konnte niemanden sehen, doch das Vampirgör sprang sofort auf die Füße, neigte beschämt den Kopf und strich ihr Kleid glatt. Sie verkörperte die Unschuld in Person. Nur der kaputte Blumenkübel und meine blutenden Unterarme wiesen darauf hin, dass die Kleine so unschuldig nicht sein konnte.
Käme jetzt ein normaler Sterblicher vorbei, würde der mir garantiert vorwerfen, mich an den Scherben des Topfes geschnitten zu haben und nicht von einem Vampirkind angefallen worden zu sein. Aus den Schatten trat ein Vampir wie er im Buche stand. Groß, schlank, goldblondes Haar, das sogar in der Dunkelheit merkwürdig hell schimmerte. Stahlblaue Augen ruhten in einem erschreckend hübschen, emotionslosen Gesicht. Er trat neben sie, tätschelte ihren Kopf und schüttelte den seinen.
„Was hat dir Onyx gesagt?“
„Ich soll in meinem Zimmer
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