In deiner Hand
erfahren“, motzte ich stur. Irgendetwas an ihm veränderte sich. Er schien ganz plötzlich viel größer und strahlte eine unheimliche Kraft aus.
„Was ist es, hm? Willst du nicht, dass ich deinen Körper besudele, jetzt wo das Zeug von ihm in dir ist? Ist es das?“
Ich sah ihn ungläubig an. „Wie bitte?“
„Sag es mir doch einfach! Sag: Brian! Es tut mir leid, aber du bist nicht der Richtige!“, äffte er meine Stimme nach.
Meine Wenigkeit stand immer noch völlig belämmert vor dem Blutsauger, der sich gerade so richtig in Rage redete. Mit jedem Wort, das über seine Lippen kam wurde er lauter. Die Neonröhren auf dem Flur begannen zu flackern.
„Sei doch einfach ehrlich! Ich bin ein Niemand, ein Schwächling! Ich bin es nicht wert! Mein Gift ist es nicht wert! Ich bin dir nicht gut genug!“
„Du solltest dringend zu ´nem Therapeuten gehen!“, riet ich ihm und verschränkte die Arme vor der Brust. Und da war er wieder, der Choleriker aus der Schule. Ihm platzte schier der Kragen und er brüllte mich an wie das Nebelhorn eines Dreimasters. Meine Ohren klingelten. Für gewöhnlich ließ ich mich nicht anbrüllen, schon gar nicht von diesem Inspector Gadget Verschnitt, den er gerade zur Schau trug. Dennoch schwieg ich überlegen. Was hatte es für einen Sinn, jetzt über etwas Derartiges zu streiten? Vorgestern wäre ich darauf vielleicht sogar noch angesprungen, doch heute verspürte ich nicht den geringsten Drang dazu. Während Brian sich tierisch darüber aufzuregen begann, wie überflüssig er doch sei und was die ganze Scheiße überhaupt solle – von welcher Scheiße er sprach, sagte er nicht – dieses dämliche Affentheater und dass er doch nicht blind sei, dass er Augen im Kopf habe und genau wisse was da vor sich gehe, stand ich einfach nur wie vor den Kopf gestoßen da und versuchte aus der ganze Situation schlau zu werden.
„Du willst wissen, wieso ich nicht möchte, dass du mich vergiftest?“, entschied ich ihm zu erklären, bevor er noch begann die Wände einzureißen. Davon abgesehen nervte mich sein Gefasel zusehends. Ich hatte wirklich andere Probleme.
„Ja“, schnaufte er und straffte die Schultern, bereit, die knallharte Wahrheit zu schlucken.
„Weil du hoffst dass ich mutiere!“ Obwohl ich es zu vermeiden gedachte, wurde meine Stimme vor Enttäuschung ganz leise. „Du hoffst, dass ich durch dein Gift mutiere. Weil du dann einen Grund hast, dich umzubringen.“
Wenn ich so darüber nachdachte, hatte er doch schon lange einen Grund: Er war seines Lebens überdrüssig. Wieso also sollte ausgerechnet meine Mutation einen erneuten Selbstmordversuch auslösen? Er könnte sich doch jederzeit aus dem Fenster auf ein Nagelbrett stürzen oder nach Paris fliegen, sich aus dem Flugzeug werfen und vom Eifelturm aufspießen lassen. Es gab sicher genug krasse Unfälle, die sogar einen Blutsauger wie ihn lebensgefährlich verletzten. Das alles war mir völlig schleierhaft. Brian klappte den Mund auf und wieder zu. Er ließ die Arme sinken und wirkte nun nicht mehr ganz so riesig.
„Du hoffst auf meinen Tod. Warum sollte ich dich also ranlassen?“ Er schwieg betroffen. „Warum, Brian? Wieso sollte ich so bescheuert sein?“
„Du missverstehst da etwas“, murmelte er und griff sich unangenehm berührt ins Genick.
„Was gibt es da denn falsch zu verstehen?“, forderte ich eine Erklärung. „Es wäre besser, wenn ich ginge, als denjenigen töten zu müssen, der dich zu einem Viggor macht.“
„Warum solltest du denjenigen auch töten? Der kann doch nichts dafür! Laut Jenks ist eine solche Mutation völlig unabhängig von dem Vampir, der den Menschen gebissen hat.“
Brian sah mich mit einem seltsam intensiven Blick an, den ich absolut nicht deuten konnte. Er schüttelte den Kopf, trat zurück auf den Gang und meinte: „Ich glaube Annie ist aufgewacht.“ Er wollte losgehen, doch ich hielt ihn zurück. „Warum, Brian? Wieso solltest du denjenigen töten wollen? Erklär es mir, verdammt!“
Binnen eines Herzschlags fand ich mich mit dem Rücken an der Wand wieder. Sein Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Er starrte mich durchdringend an. „Weil“, knurrte er letztlich und schnaufte mir direkt ins Gesicht. „Weil?“ Ich sah ihn irritiert an. „Das ist doch nicht mal eine richtige Antwort!“
„Eine andere wirst du nicht bekommen“ Er stieß sich von der Wand ab und stiefelte davon.
„Du benimmst dich echt wie ein Mädchen!“, provozierte ich ihn, in der Annahme,
Weitere Kostenlose Bücher