Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In deiner Hand

In deiner Hand

Titel: In deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Tintenfee Lewis
Vom Netzwerk:
Trainer vom Platz jagen müssen, aus Angst, ich würde der Erschöpfung wegen einfach umkippen. Frischer Sauerstoff, der in meine brennenden Lungen strömte, Schweiß, der mir in Bächen den Rücken runter lief, das war meine Welt! Ich liebte es, wenn mir die Klamotten klitschnass am Körper klebten und mein Gehirn auf Hochtouren arbeitete.
„Da bist du ja endlich!“, keifte meine Sportlehrerin, die so ganz anders war, als mein Trainer. Sie verlangte im Unterricht Dinge von uns, die sie selbst nie vorführte. Da fragte man sich doch, ob sie überhaupt in der Lage war, all die dämlichen Küren auf dem Schwebebalken oder auf den Matten zu turnen. Der Verdacht lag nahe, dass sie sich alles aus purer Gehässigkeit für uns ausgedacht hatte. Damit sie einen Grund in der Hand hielt, um uns anschließend zur Sau zu machen. Sie neigte gelegentlich zu Wutausbrüchen. Gadget war ein Scheißdreck gegen ihr nervenaufreibendes Geschrei. Auch jetzt bildeten sich bereits rote Stressflecken an ihrem dürren, langen Hals und auf den Wangen. Ihre Augen quollen fast aus den Höhlen, als sie auf mich zu stapfte und den Sitz meiner Shorts bemängelte. „Wie siehst du überhaupt auf dem Kopf aus? Gibt es bei euch daheim keine Kämme?“, meckerte sie und rümpfte die Nase. Wahrscheinlich passte ihr mein Deo auch nicht.
„Ich wüsste nicht was Sie das angeht!“ Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen reihte ich mich bei meinen Mitschülern ein, die ihre Bahnen in der Halle liefen. Die alte Schnepfe hatte in Punkto Aufwärmen leider Recht. Obwohl ich den Schmerz in den Waden und das Stechen in meinen Seiten mochte. Mühelos überholte ich einen Schüler nach dem anderen. Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen, damit ich mir vorstellen konnte, draußen auf dem Platz zu laufen. Aber so wäre ich garantiert in eines der Geräte gerannt, die scheinbar wahllos in der Halle verteilt worden waren. Bodenturnen! Was für eine große Scheiße! Wofür war das nötig? Was brachte mir das Gehampel auf dem Schwebebalken oder das Springen über den Bock? Sollte das allen Ernstes wichtig für meine Zukunft sein? Davon mal abgesehen, dass ich keine haben würde. Als dann auch noch zwei Mädchen aus meinem Kurs – nur im Sportunterricht wurden die drei Jahrgangsklassen zusammengeschmissen – mit bunten Bändern und Gummibällen in die Turnhalle spazierten, konnte ich mir ein genervtes Stöhnen nicht mehr verkneifen. Natürlich hörte es Mrs. Sport-BH, wie ich diesen flachbrüstigen Lehrkörper gern nannte, und donnerte mir weitere drei Runden auf. Was für eine Strafe! Ich hätte fast geheult!
Ich ließ mir Zeit, hielt mir gespielt erschöpft meine Seiten und taumelte hin und wieder ein bisschen, um das Drama zu ihrer Zufriedenheit zu vervollständigen. Unterdessen tänzelten die Mädchen mit ihren bescheuerten Bändern durch die Halle und kicherten heiter. So wie sie grinsten, stellten sie sich vermutlich vor, dass sie kleinen Elfen waren, die wie Bimmelglöckchen lachend durch einen saftig grünen Wald tanzten, deren Blumen und Bäume sprechen konnten und ihnen vorsangen, wie zart und liebreizend sie doch waren. Corinne, ein leicht fülliges … ach was redete ich da? Corinne war fett wie ein Schwein und beim Herumtänzeln machte sie eine Figur wie das Nilpferd aus Madagaskar. Allerdings sah Corinne nicht annähernd so süß dabei aus, denn bei jeder Drehung gerieten ihre Massen in Wallung. Das bereitete mir leichte Übelkeit. Den Jungen im Kurs ging es nicht anders. Entweder sie guckten angestrengt in eine andere Richtung oder sie machten sich lautstark über das Nilpferd lustig. Eines musste man ihr lassen, sie scherte sich einen Scheißdreck um die abwertenden Äußerungen der anderen. Selbstbewusstsein hatte sie.
Einige Schüler krackselten an den Seilen hoch, die von der Decke hingen, die anderen turnten angeregt auf dem Stufenbarren und hüpften über die oberste Stufe in die Tiefe, dabei freuten sie sich wie kleine Welpen, denen es gelungen war sich in den Stummelschwanz zu beißen. Um so wenig wie möglich am Treiben teilzunehmen, setzte ich noch weitere Runden drauf. Immer wenn Mrs. Sport-BH in meine Richtung linste, stellte ich mich schnell irgendwo an, damit es aussah, als beteiligte ich mich rege am Unterricht. Immer wieder flatterte mein Blick sehnsüchtig zu den deckenhohen Fenstern. Der Himmel war strahlend blau! Ich verlor mich in der Vorstellung, barfuß über den Platz zu laufen und jedes noch so winzige Sandkörnchen

Weitere Kostenlose Bücher