Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In deiner Hand

In deiner Hand

Titel: In deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Tintenfee Lewis
Vom Netzwerk:
auch noch vor dir die Beine zu brechen!“
Okay, den Satz hätte ich mir verkneifen sollen, aber sie machte mich fuchsteufelswild. Wimmernd ging sie in die Knie, den Finger, der zu einem Ballon anschwoll, fest an die Brust gedrückt.
„Du kaltherziges Miststück!“, flüsterte Annie. Es erstaunte mich, wie sehr mich ihre Worte verletzten.
„Was ist passiert?“ Die Schwester! Na endlich! Leider kam ich überhaupt nicht zu Wort, denn sofort überhäufte Annie mich mit Vorwürfen und Anschuldigungen und was für eine beschissene Freundin ich doch sei, sie einfach so sitzen zu lassen und zu tun, als seien wir nie mehr als Klassenkameraden gewesen. Ihr Wortschwall beschallte den gesamten Flur, jeder erfuhr, wie sehr sie unter meinem Rückzug litt und wie schwer es ihr noch immer fiel, wenn ich sie so distanziert und kühl behandelte. Die Situation war mir mehr als unangenehm. Der Schulschwester ebenfalls, denn sie bugsierte Annie äußerst energisch in das Behandlungszimmer. Selbst als die Tür zu war, hörte ich Annie immer noch meckern. Mit gesenktem Kopf schlurfte ich zurück in die Klasse. Als ich Gadget meldete, was passiert war, hatte dieser nur einen abschätzenden Blick für mich übrig. Er nickte kurz und bedeutete mir, mich zu setzen. Annie hätte bestimmt gewollt, dass ich bei ihr blieb. Doch das kam überhaupt nicht in Frage! Lieber verkörperte ich in ihren Augen die beschissene Freundin und ließ sie jetzt daran verzweifeln, als später einfach spurlos aus ihren Augen zu verschwinden und zu wissen, dass sie daran vielleicht kaputt ging. Doch das war nicht der einzige Grund. Annie war niedlich, mit ihrer süßen Stupsnase und den weichen Gesichtszügen. Ich konnte einfach nicht erlauben, dass sie sich außerhalb der Schule in meiner Gegenwart aufhielt. Ich wollte nicht, dass …
„Ist alles in Ordnung?“ Ich blinzelte die düsteren Gedanken weg und sah auf. Gadget stand vor meinem Pult, die Aktentasche unter den Arm geklemmt. Meine Mitschüler waren allesamt fort. Das Läuten musste mir wohl entgangen sein. Ich musterte meinen Lehrer einen Moment länger als nötig. Konnte ich meine Hoffnung in diesen scheinheiligen Mann stecken? Was wusste ich schon von ihm, außer dass er ohne den Fummel ziemlich geil aussah? Gar nichts!
„Was hören Sie eigentlich für Musik?“, wollte ich wissen. Auch wenn mich das eigentlich nicht die Bohne interessierte. Aber ich musste versuchen so viel wie möglich über ihn in Erfahrung zu bringen, damit ich sichergehen konnte, dass der Kerl meiner Mum nicht schadete. Gadget räusperte sich und richtete den Hut.
„Elvis Presley.“ Erstaunlich, dass er wirklich antwortete. „Er war seinerzeit eine großartige Persönlichkeit und ist es noch heute!“, fuhr er fort.
„Glauben Sie auch, dass er noch lebt? Irgendwo auf Hawaii und unter anderem Namen?“ Witzig, seine Augen leuchteten für einen kurzen Moment ganz begeistert. Presley war wohl sein Gebiet!
„Man ist erst dann wirklich tot, wenn man aus den Köpfen der Menschen verschwunden ist!“
„Wie philosophisch.“ Was für ein bescheuerter Spruch! Er lächelte wissend und tippte sich an die Krempe.
„Na los! Ab in die Turnhalle!“ Ich sammelte meine sieben Sachen zusammen und warf einen Blick nach links. Jemand anderes hatte Annies Zeug bereits mitgenommen. Eine andere Freundin vermutlich. Seufzend schulterte ich meinen Rucksack.
„Sie wird schon wieder!“ Es sollte wohl aufmunternd klingen, tat es aber nicht, weil er mich schon wieder so komisch anguckte. So als warte er darauf, dass mir gleich die Haare ausfallen oder mir Hörnen aus der Stirn wachsen würden. „Sicher.“ Eigentlich hatte ich ihn daran erinnern wollen, dass er doch bitte seine Griffel von meiner Mum lassen solle. Aber als ich mich auf dem Flur zu ihm umdrehte war er längst verschwunden.
Die Turnhalle lag in einem separaten Gebäudekomplex am nördlichen Ende meiner Schule. Der Unterricht hatte längst begonnen und ich trudelte als Letzte in die Umkleidekabine. Wie jedes Mal, wenn ich mich körperlich anstrengen durfte, prickelte eine Kraft in meinen Fingerspitzen und den Füßen, die herausgelassen werden wollte. Mitunter einer der Gründe, wieso ich mit dem Laufen angefangen hatte. Nirgendwo fühlte ich mich wohler als unter freiem Himmel, ganz gleich ob Sommer oder Winter. Ich liebte das Gefühl meiner angespannten Muskeln, das Ziehen, wenn sie nicht richtig aufgewärmt waren oder ich es mal wieder übertrieb. Mehr als einmal hatte mich mein

Weitere Kostenlose Bücher