Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In deiner Hand

In deiner Hand

Titel: In deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joey Tintenfee Lewis
Vom Netzwerk:
so heiß, dass sie mir sofort die Haut von den Knochen schälte. Wieder zerrissen die silbernen Drähte, schossen pfeifend zurück und hieben messerscharf auf meine Seele ein, trennten mich von meinem Körper. Ganz plötzlich sah ich Licht. Eine einzige glutrote Stichflamme schoss aus unmenschlichen Tiefen empor. Wie eine riesige Zunge sah ich sie auf meinen Körper zu schießen. Gefühlte hundert Meter unter mir.
Kurz und heftig explodierte der zertrümmerte Rest von mir und wurde in einem qualmenden Feuerball in die Tiefe gesogen.
Ich wartete auf die Erleichterung, auf die Erlösung, den Schmerz, aufkeimende Angst. Doch nichts dergleichen geschah. Wie ein Fisch in der Tiefsee dümpelte ich herum, nicht in der Lage mich fortzubewegen. Keine Bilder störten mich, keine Emotionen, die mich nur durcheinander brachten. Noch während ich mich damit auseinandersetze, was weiterhin geschehen würde, vergaß ich, was bereits geschehen war. Ich vergaß in welchem Körper ich gesteckt hatte, welches Leben ich gelebt hatte und was mich an diesen Ort führte.
    „Noch ist deine Zeit nicht gekommen!“, kam es wie ein Echo aus allen Richtungen, wurde lauter, leiser. Was es bedeutete, verstand ich nicht, doch was es versprach, beunruhigte mich. Grauen erfüllte mich. Irgendjemand spielte mit der Zeit!
Aus der Tiefe schoss ein Feuerstrahl empor, spuckte meinen Körper in den Ozean des Lebens zurück. Wütende Kräfte bauschten sich unter ihm auf, stemmten sich gegen die gebrochenen Knochen und stießen ihn mit unglaublicher Kraft in die Höhe. Er kam auf mich zu, pfeilschnell, und schoss an mir vorbei. Er durchstieß das Meer schwarzer Wellen und wurde in die Luft katapultiert. Wie ein brüllender Riese protestierte der Ozean und starrte meinem Körper mit funkelnden, pechschwarzen Augen hinterher. Von überall her schossen silbrige Lichtblitze auf mich zu, nahmen mich in einem hauchzarten, messerscharfen Netz gefangen und sausten dem Rest von mir hinterher. Ich holte meine sterbliche Hülle ein, wurde regelrecht in sie hineingestanzt und ertrug den schneidenden Schmerz kaum, der darauf folgte. Wie schön war die kurze, losgelöste Zeit doch gewesen! Wieder wurden wir, diesmal als Ganzes, herumgeschleudert, erdrückt, hochgehoben, runtergestoßen, beinahe zerquetscht und immer wieder hin und her gewirbelt, wie in einer verrückten Achterbahn. Schwindel und unendliche Schmerzen peinigten uns. Und dann war es vorbei. Gleißendes Licht löste die Finsternis bis zum letzten Wölkchen auf.
Für den Bruchteil einer Sekunde sahen wir den schwarzen, schimmernden Ozean unter uns, mit seinen hungrigen Wellenbergen. Nichts existierte dort, außer dieser majestätisch tödlichen Macht.
    „Geschafft!“, rief eine Stimme aus der Ferne.
Vernahm ich da Erleichterung? Ich war mir nicht sicher. Es konnte ebenso gut Enttäuschung gewesen sein. Darüber würde ich mir später Gedanken machen. Viel wichtiger war es, herauszufinden, wer da gesprochen hatte und wo genau ich mich überhaupt befand. Mir war durchaus bewusst, dass ich nicht wiedergeboren wurde. Irgendjemand da unten hatte es nur einfach nicht für nötig gehalten, mich jetzt schon zu sich zu lassen. In den Himmel kam ich beim nächsten Mal ganz bestimmt nicht! So viel stand jetzt schon fest.
     

Dreizehnter Streich
     
     
    Kein Gefühl in den Beinen. Das Gesicht steif wie eine Maske und ein fieser Schmerz, wenn ich versuchte es zu verziehen. Der Gestank von Desinfektionsmittel, vermischt mit einer hauchzarten, widerlich süßen Note und dem Duft von Blumen, umgab mich.
Den Blick an eine viel zu niedrige Zimmerdecke gerichtet, waren dies die einzigen Dinge, die ich bewusst wahrnahm. Ich starrte die kleinen leuchtenden Plastiksterne an, die jemand direkt über das Bett geklebt hatte. Ein erstaunlich komplexes Konstrukt, das vermutlich den ganzen nächtlichen Himmel aufzeigte. So wunderschön es auch aussah, es beruhigte mich keineswegs.
In dem Versuch, mir ein Bild von dem Ort zu machen, an dem ich mich gerade befand, wurde mir bewusst, dass ich zwar meine Arme einigermaßen spüren konnte, sich die Beweglichkeit aber sehr stark in Grenzen hielt. Es kostete mich unglaubliche Kraft, die einzelnen Finger zu bewegen. Dass sich die Prozedur auf der linken Seite ganz anders, irgendwie falsch, anfühlte, machte mich nervös.
Ich blinzelte und presste die trockenen Lippen vorsichtig zusammen. Aufzuwachen, an einem Ort, der einem unbekannt war, eingehüllt in dieses abartige Odeur und die

Weitere Kostenlose Bücher