In Den Armen Der Finsternis
nichts, sie konnten ihn nicht aufhalten.
Unmittelbar bevor er sie erreicht hatte, bekam ich das Seil um seine Knöchel in die Finger. Ich hielt ihn mit aller Kraft zurück. Vater Lawrence stieß ein ersticktes Knurren aus und rollte sich zu mir herum. Es gelang ihm, sich aufzurichten, und sein dicker Bauch quoll über den Bund seiner Hose. Dunkles Fell bedeckte seinen Hals - seine Zähne waren scharf. Er schnappte wie ein angeketteter Wolf nach mir, besinnungslos vor Wut.
Ich schlug zu. Sein Knurren verstummte, und er schwankte, schüttelte den Kopf. Ich schlug erneut zu, diesmal mit beiden Fäusten, und zielte auf seine Schläfe. Er schlug auf dem Boden auf und rührte sich nicht mehr.
Ich hockte mich keuchend über ihn. Ungläubig sah ich zu, wie das braune, stachelige Fell langsam von Vater Lawrence’
Gesicht verschwand, bis er wieder pausbäckig und menschlich aussah. Killy hockte zusammengekauert an der Wand, umschlang ihre Knie und drückte sie an die Brust. Auch sie beobachtete den Priester, ihr Blick wirkte gehetzt und traurig.
Hinter mir bewegte sich jemand. Byron ging am Rand der Brücke entlang, während er den Mann, der unter mir lag und sich verwandelte, misstrauisch im Auge behielt. Er trat neben Killy, und stellte sich dorthin. Er wirkte beeindruckend ruhig, fast stoisch, und sagte kein Wort. Als sie schließlich aufstehen konnte, reichte er ihr die Hand.
Jemand berührte mich. Es war Grant. Ich lehnte mich dankbar an seine Schulter, doch es fühlte sich so an, als hätte ich eine Stromleitung berührt. Er strahlte die pure Wut aus. Jack wirkte kaum besser, aber zumindest auf eine andere Art. Er trat neben uns und betrachtete Vater Lawrence aufmerksam, allerdings ohne jedes Gefühl. Seine Miene beunruhigte mich. Der alte Mann musterte den Priester mit einer gewissen Vertrautheit, so wie jemand seinen Arzt oder Lehrer betrachten würde: so als würde er ihn kennen.
»Also gut«, sagte er schließlich. »Jetzt haben wir es auch noch mit Werwölfen zu tun.«
Ich schleppte Vater Lawrence unter Deck in eine der Kabinen. Der Flur war so schmal, dass ich mir die Schultern und Ellbogen anstieß. Eine Tür öffnete sich knarrend, und Mary steckte den Kopf heraus. Sie beobachtete, wie wir vorbeigingen. Ihr Haar stand wild ab, sie wirkte verschlafen. Dann fiel ihr Blick auf den bewusstlosen Priester, den ich hinter mir herzog. »Vertraue niemals einem alten Wolf«, sagte sie.
Dann trat sie wieder in die Kabine zurück und sperrte die Tür hinter sich ab.
»Guter Ratschlag«, murmelte ich und sah mich um. Grant stieg hinter mir die Treppe herunter. Er stieß sich den Kopf an der Decke und zuckte zusammen.
Ich öffnete die Tür am Ende des Flurs. Dahinter lag eine kleine, merkwürdig geformte Kabine, in deren Mitte ein rundes Bett stand. Jack hatte vorgeschlagen, Vater Lawrence dorthin zu bringen. Er hatte zwar nicht behauptet, dass ihm das Schiff gehörte, aber er besaß immerhin die Schlüssel für die Zündung, kannte offenbar auch das Innere des Bootes und wusste außerdem, wie es funktionierte. Ich hörte, wie erst der Motor dröhnte und das Boot dann durchs Wasser glitt. Wir fuhren aufs Meer hinaus.
Ich wuchtete Vater Lawrence auf das Bett. Auf seiner Stirn bildete sich eine Beule. Dann setzte ich mich neben ihn. Grant folgte mir in die Kabine und schloss die Tür hinter sich. Zunächst starrte er den Priester an, dann mich. Ich beugte mich vor und stützte die Ellbogen auf meine Knie, wobei ich versuchte, nicht so sehr an all das zu denken, was ich gesehen hatte.
Grant ließ sich mit einem Seufzer auf das Bett nieder und streckte sein schlimmes Bein aus. Sein Gehstock fiel auf den Boden. Ich strich mit meiner Linken über seinen Schenkel und massierte durch die Jeans seine Muskeln, bis sich seine Finger um meine schlossen. Seine gebräunte Haut wirkte im Kontrast zu meinen Tätowierungen sehr menschlich.
»Stell dir vor«, sagte ich ruhig, »wenn du vor sechs Monaten nicht zum Pike Place Market gegangen wärst, hätten wir uns nie getroffen und du würdest jetzt nicht in diesen Schwierigkeiten stecken.«
»Ganz recht. Weil ich jetzt tot wäre, von einer Dämonenkönigin besessen. Ich persönlich finde, dass ich das bessere Ende erwischt habe.« Zärtlich küsste Grant meine Wange und
seufzte in mein Haar. Dann griff er über die Schulter und zog die Flöte aus ihrem Etui. »Vater Lawrence kann von Glück sagen, dass ich ihn nicht mit demselben Respekt behandele, mit dem er Luke behandelt
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