In Den Armen Der Finsternis
dachte ich, während mein Herz mir immer noch weh tat. Ich fragte mich, was meine Mutter wohl dazu sagen würde, sie, die ein Leben geführt hatte, von dem ich nichts wusste, eines, über das ich allmählich nur in Bruchstücken etwas erfuhr und das ein ganz anderes Bild von dieser Frau zeichnete, die ich zu kennen geglaubt hatte. Ich konnte ihre Stimme immer noch in meinem Kopf hören.
Vertrau dir selbst.
Du bist nicht allein.
Es gibt noch andere, die so sind wie wir.
Dek und Mal grollten in meinen Ohren. Ich stieß Byron und Grant von mir, fuhr herum und starrte auf den Hang. Zee sprang aus den Schatten heran. Ich hörte ein Keuchen, achtete jedoch nicht darauf. Für Geheimnisse war es jetzt viel zu spät. Für so vieles war es zu spät. Rohw und Aaz tauchten aus dunklen Orten in Steinnischen auf und rasten auf mich zu, so schnell sie konnten. Sie flogen, sie flogen wie die Wölfe, mit Flügeln an den Läufen.
»Maxine«, schnarrte Zee. »Körper kommen heran. Sie springen zu schnell.«
»Er vergeudet seine Leute!«, zischte Jack, der mit geneigtem Kopf lauschte. »Er benutzt sie, um durch das Labyrinth abzukürzen, er ist zu schnell, als dass Zee und die anderen ihnen folgen könnten. Er bringt sie für das hier um.«
Ich stieß Byron auf den Boden und versuchte dasselbe auch mit Grant zu tun. Der aber widersetzte sich mir und griff nach seiner Flöte. »Halt!«, sagte ich.
In diesem Moment gab es eine Explosion - ich wurde zurückgeschleudert, von den Füßen gerissen. Meine Brust schmerzte. Wie in einem Traum sah ich Grants Gesicht, das mich entsetzt anstarrte. Er war vollkommen blutverschmiert. Da war so viel Blut.
Ich hörte noch weitere Explosionen, dann Schreie. Ich fiel immer noch. Ich fiel wie in Zeitlupe.
Schließlich packten scharfe Finger meine Hände. Kleine Körper drängten sich an mich. Meine rechte Hand brannte zwar, aber ich bemerkte es kaum. Auch meine Brust schien zu brennen.
Ich landete auf Gras, das konnte aber nur einen Wimpernschlag lang dauern. Dann schluckte mich die Erde und schloss sich wieder hinter mir.
20
I ch verlor mich in der Dunkelheit. Ich verlor mich auch in Träumen, und die Jungs träumten mit mir, lagen süß auf meiner Haut; bis ich träumte, dass ich am Ufer eines Flusses lag - und mich im Traum zwang, aufzustehen und zu gehen. Ich ging an Bäumen vorbei, deren Stämme älter waren als der erste Atemzug der Menschheit, dann begann ich zu laufen.
Ich lief mit Erinnerungen weiter, die wie die Knospen eines Baumes im Frühling waren, die sich aus dem Todesschlaf des Winters erheben. Zarte Schösslinge regten sich in meinem Geist, zierlich und süß. Ich erinnerte mich an Wälder, an einen guten Bogen in meiner Hand, an mein offenes Haar, in das Blätter und Moos eingeflochten waren, und an ein zartes Tuch aus Leinen, das meinen Körper bedeckte, während ich mich auf einen weißen Hirsch konzentrierte, der auf Hufen lief, die wie sternenübersäte Fesseln aussahen. Ich jagte Tiere, ich jagte Menschen, ich jagte Dämonen.
Ich sah Dämonen, ich sah die merkwürdigsten Dinge. Ich sah mich auch selbst, wie ich auf Zees Rücken ritt. Die Jungs waren so groß wie Löwen, als sie durch eine felsige Wüste liefen, durch die Trümmer einer zerstörten Stadt im Mondlicht. Vor uns ritten Männer, sie ritten um ihr Leben. Ich sah Elefanten,
die auf zwei Beinen über den Schnee marschierten. Sie waren gepanzert, bewaffnet und trugen in Käfigen auf ihrem Rücken kleine, geflügelte Frauen. Wie ein Schiff, das von Segeln vorangetragen wurde, die wie goldene Spinnennetze unter einem purpurroten Himmel schimmerten. Mein Körper trieb in einer Welt aus Sternenlicht, während mein Mund und meine Nase von Haut bedeckt waren. Die Jungs atmeten für mich, im Weltraum - es geschah über einem roten Planeten, der ganz von Wolken verhüllt war.
Dann befand ich mich wieder in dem Wald, aber ich war blind und schwer und spürte ein langes, zufällig gefundenes Horn unter meiner Hand, das sich so kühl und vertraut wie Stein anfühlte.
Einhorn, dachte ich, und mich überlief ein Kribbeln, von den Händen über den ganzen Körper, so als würden kleine Blitze ein Netz über meine Haut flechten.
»Jägerin«, flüsterte eine Frau. »Du hättest nicht hierherkommen sollen, vor allem nicht jetzt.«
»Ich träume«, erwiderte ich flüsternd.
»Das solltest du auch.« Das gewundene Horn bewegte sich, reichte durch meine Hand, bis meine Knöchel die seidene Haut eines zierlichen Schädels
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