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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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an, sondern blickte nur zu den Sternen hinauf, so wie ich es vorher auch getan hatte. »Die Furcht vor den Göttern ist etwas ganz anderes als die Furcht, die von Folter und Verdammnis ausgeht. Und während andere lebendig verbrannt und für winzige Verbrechen gefoltert wurden, weil sie zum Beispiel einen anderen Gott anbeteten, hütete dieser Orden ein Geheimnis, das … überhaupt alles verändert hätte.«
    Der alte Mann machte eine Pause und holte Luft, während er sich mit der Hand über die Kehle fuhr. »Die Furcht führte zu Zweifeln, die Zweifel führten zu bösen Ahnungen. Als die Hexenprozesse dann ernsthaft begannen, waren die Grundlagen bereits gelegt, um das zu verdammen, was man einst als die letzte lebende Streitmacht gegen den Armageddon verehrt hatte.«
    »Das Fallen des Gefängnisschleiers.« Ich strich mit den Fingern über die Narbe unter meinem Ohr. So viel Schwierigkeiten wegen eines so alltäglichen Fleckens aus toter Haut. »Cribari lag nicht weit daneben. Es existierte tatsächlich eine Finsternis in mir. Du weißt es, du glaubst daran, sonst würdest du diese Tätowierung meiner Narbe nicht tragen. Du hättest meiner Mutter nicht geholfen, so viel vor mir zu verbergen.
Und du hättest nicht die Angst, dass ich zu einem Monster werden würde.«
    Grant protestierte leise, und Jack sah mich endlich an. »Das habe ich nie gedacht, niemals, Liebes.«
    »Ich glaube dir nicht«, widersprach ich. »Ich erinnere mich doch, Jack. Ich erinnere mich an den Blick in deinen Augen, als du dieses Zeichen zum ersten Mal gesehen hast. Ich erinnere mich auch an all deine Worte über Jagd und Tod. Du hast … Angst.«
    Jack fasste meine Schulter und schüttelte mich, ganz leicht, während er sich herunterbeugte und mir in die Augen sah. »Ich habe Angst, dich im Stich zu lassen. Ich habe das einmal getan, weil ich unaufmerksam war. Und deine Ahnfrau hat dafür bezahlt.«
    Ich stand wie erstarrt unter seiner Hand. »Ich bin aber nicht sie.«
    Aber du könntest es sein, schoss mir ein ungebetener Gedanke durch den Kopf, der sich - vielleicht - in Jacks Augen spiegelte. Ich wich von ihm zurück, und er ließ mich los. Ich bemerkte es kaum. Ich fühlte mich nicht verrückt, sondern eher verwurzelt, mit den Füßen auf dem Boden.
    Ich bin kein Monster, sagte ich mir. Vielleicht gab es da einmal ein Monster in mir, aber das war doch nicht ich. Ich war das nicht.
    Ich dachte an Cribari, an ein frisch ausgehobenes Grab und ein weinendes Baby. »Wie war der Name der Jägerin, die deine Leute ermordet haben?«
    Jack zauderte mit seiner Antwort, doch dann war Zee plötzlich da, schmiegte sich an meine Beine. Er sah den alten Mann ernst an und richtete denselben ernsten Blick dann auf mich.
    »Auicia«, schnarrte er. »Dem Meer entstiegen.«

    Jack starrte ihn wie gehetzt an. Vor uns auf dem Berg bemerkte ich eine Bewegung. Eine kleine Gestalt, deren Haltung so sehr der des alten Mannes glich, wie er vorher dort gestanden hatte, dass ich erst glaubte, ich sähe Jacks Doppelgänger. Doch es war nur Byron. Er trug einen dicken Wollmantel, der zwar viel zu groß für ihn sein mochte, der aber zumindest warm zu sein schien. Rohw hatte seine Sache gut gemacht.
    Dann stellte ich fest, dass die Jungs schon wieder verschwunden waren und sich in die Schatten zurückgezogen hatten. Meine gefährlichen kleinen Geister. Dek und Mal zogen sich ebenfalls tiefer in mein Haar zurück, während ihr Schnurren tröstend warm über meinen Nacken lief. Ich drückte kurz Grants Hand und rannte dann den Hügel hinauf zu dem Jungen.
    Byron rührte sich nicht, als ich näher kam. Hinter ihm marschierte Killy auf und ab, die Hände tief in die Taschen ihres dicken, neuen Mantels gestopft. Sie kniff die Augen zusammen, als sie mich sah, und verzog wütend den Mund.
    »Du!«, stieß sie hervor, »du bist doch nichts als ein Stück Scheiße!«
    »Stimmt«, antwortete ich. »Na und?«
    Killy trat auf mich zu und schubste mich. Ich hielt die Hände von ihr weg, an meine Hüfte gedrückt.
    »Tu das nicht«, warnte ich sie.
    Sie holte zu einem Schwinger aus, um mein Gesicht zu treffen. Ich wich dem Schlag aus, packte ihr Handgelenk und drehte es um. Knurrend fiel sie auf ein Knie.
    »Déjà vu?«, fragte ich.
    »Ich hatte ein gutes Leben!«, stieß sie hervor. Ihre Stimme klang belegt vor Wut und Trauer. »Es war gut, und es gehörte mir allein.«

    »Du lebst immer noch, und dein Leben gehört dir ebenfalls immer noch.« Ich ließ sie los und trat

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