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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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leichtfüßig zurück. »Das solltest du wertschätzen. Es könnte nicht ewig dauern.«
    Killy stand nicht auf, sondern sank schwer atmend noch tiefer ins Gras.
    »Sie ist sauer«, sagte Byron, »weil du uns allein gelassen hast. Du bist einfach weggelaufen.«
    »Nein«, widersprach Killy. »Es gibt ganz andere Gründe.«
    »Ich bin weggelaufen«, stimmte ich zu, sprach aber nur mit dem Jungen. »Es gab da etwas, das ihr nicht sehen solltet.«
    »Ich habe schon sehr viel gesehen«, antwortete er, drehte sich um und half Killy dabei aufzustehen. Ein kalter Windstoß nahm mir den Atem, aber ich wäre ohnehin atemlos gewesen - wegen dieses merkwürdigen Schmerzes in meiner Brust. Es waren nicht direkt Gewissensbisse, doch etwas Ähnliches. Das Gefühl, bei einer Lüge ertappt worden zu sein.
    Vater Lawrence lag ganz in der Nähe im Gras. Er setzte sich unbeholfen auf, sein dicker Bauch quoll über seinen Hosenbund. Ich war mir nicht sicher, ob er meine Anwesenheit bemerkte. Mit den Händen rieb er sich unaufhörlich den Mund, als könnte ihn das von diesem widerlichen Geschmack befreien, der wahrscheinlich von dem Blut und dem Fleisch herrührte. Er trug keinen Mantel. Wie Mary schien auch ihm die Kälte nichts auszumachen.
    Ich ertappte Killy dabei, dass sie ihn beobachtete. Ihre Miene wirkte qualvoll, verloren, bis sie meinen Blick bemerkte. Ihre Verletzlichkeit verschwand unter einer spröden Schale, dann rieb sie sich das Handgelenk. »Hast du einen Plan?«
    Ich antwortete nicht, weil in diesem Augenblick Grant, Mary und Jack zu uns traten. Grant versuchte zu atmen, ohne zu husten. Sein Gesicht war blass und ausgelaugt. Offenbar litt er unter
der Kälte, der Anstrengung des Aufstiegs - und auch unter Cribari. Er brauchte sein Zuhause, ein warmes Essen und ein Bett zum Schlafen. Und außerdem Zeit, sich zu erholen. Er brauchte Sicherheit. Das brauchten wir alle.
    Killy warf Mary einen kurzen Blick zu und rieb sich mit beiden Händen fest die Stirn.
    »Jack«, sagte ich. »Wenn sich Killy und Vater Lawrence von uns trennen, wird Mr. Koenig dann trotzdem in der Lage sein, sie aufzuspüren?«
    »Er hat ihre Witterung aufgenommen«, antwortete Jack. Seine Stimme klang rau vor Erschöpfung. »Aber wenn sie nicht hier bei uns sind, dann wird er auch keine Zeit investieren, um sie zu suchen. Jedenfalls nicht sofort.«
    Ich sah Killy an. »Ihr solltet gehen, beide. Wo auch immer wir uns auch befinden, dieses Dorf da unten im Tal ist nur …«
    »Nein!«, fiel hier Vater Lawrence krächzend ein. Seine Stimme war so zerrissen und mitgenommen und ertönte auch so überraschend, dass ich zusammenzuckte. »Nein, ich bleibe bei Ihnen!«
    »Vater Frank!«, protestierte Killy, doch der dicke kleine Priester schüttelte nur den Kopf und versuchte aufzustehen.
    »Heilige Verdammnis!«, knurrte er. »Ich bin verletzt!«
    Ich bot ihm meine Hand und war keineswegs beleidigt, als er kurz zögerte. Er starrte auf meine Handfläche, als wäre sie mit apokalyptischen Läusen bedeckt. Aber das erhöhte nur das Vergnügen, als er meine Hilfe schließlich annahm. Sein Griff war fest und entschieden, doch er schwankte leicht. Ich stemmte die Absätze in die Erde und zog ihn zu mir, damit er seine Balance wiederfand.
    »Ich habe ein Versprechen gegeben.« Er sah mich mit seinen beiden unterschiedlichen Augen an, gerissen und herzlich
zugleich, hinterlistig und freundlich. »Das habe ich bereits vor Jahren getan, und es spielt keine Rolle, dass jetzt alles aus dem Ruder läuft. Ich habe dieses Versprechen keiner Organisation oder auch nur einer Idee gegeben. Sondern Ihnen und den Ihren.«
    »Warum haben Sie das getan?« Ich zuckte zurück, als eine Erinnerung in mir hochstieg, eine Erinnerung an etwas, das er im Flur über Mr. Koenig gesagt hatte.
    Vater Lawrence’ Blick war unnachgiebig; sein rotes Auge glitzerte, als wäre es in Blut und Feuer getaucht worden. »Als ich jung war, hat eine Frau meine Seele gerettet. Sie hat etwas Dunkles aus mir gerissen und es vor meinen Augen getötet. Danach blieb ich … ohne Sinn. Ich hatte mein Leben zerstört. Sie … Sie hat sich meiner angenommen.«
    »Meine Mutter«, flüsterte ich.
    »Sie sehen ihr so ähnlich«, bestätigte er.
    Ich ließ seine Hand los, aber die Hitze seiner Handfläche brannte noch immer auf meiner Haut. »Aber die Opfer dämonischer Besessenheit erinnern sich nie an das, was ihnen geschehen ist. Niemals.«
    »Ich erinnere mich aber«, erwiderte er. »Ihre Mutter hat mir

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