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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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seine Augen … Ich kannte doch diese Augen.
    »Jägerin«, fauchte er. Seine Stimme wurde von den Zähnen gedämpft, sie klang tief und knurrend.
    »Rex?«, murmelte ich. »Warum bist du hier?«
    »Der alte Häuter Jack. Er hat uns von Grant erzählt.« Er spuckte Blut auf den Eisboden. »Also sind wir zu Hilfe gekommen, Feind meiner Feinde. Versuch das einfach zu verstehen.«
    Es gelang mir nicht, und ich wich zurück, während ich zusah, wie sich die Zombies auf die restlichen Schwarzgekleideten stürzten. »Das sind kräftige Wirte. Wer sagt denn, dass ihr die Körper nicht behaltet?«
    Rex lächelte bitter, was ziemlich gruselig aussah, angesichts der endlosen Reihen scharfer Zähne in seinem Maul. »Wir haben unser Wort gegeben. Also geh, suche Grant. Wir kümmern uns um den Rest.«

    »Ich trau dir nicht!«, fuhr ich ihn an. »Ganz gleich, wie sehr du Grant auch liebst.«
    Der Zombie kniff die Augen zusammen. »Mach, dass du hier wegkommst!«
    Das tat ich auch. Als ich den Flur vor dem Raum erreichte, waren Vater Lawrence und Killy verschwunden. Von ihnen war weder etwas zu hören noch zu sehen. Der Eisboden war zerkratzt, aber das war er ja überall, und es gab keine klare Spur, der ich hätte folgen können.
    Hinter mir hörte ich Geheul. Meine rechte Hand zuckte scharf.
    »Ihr seid auf euch allein gestellt«, sagte ich dem Priester und der Frau, drehte mich herum und rannte den Flur entlang, den Weg zurück, auf dem wir gekommen waren, auf das Kühlhaus mit Körpern zu und daran vorbei, dahin, wo, wie die Jungs mir sagten, Grant festgehalten wurde.
    Es fiel mir schwer, mich schnell zu bewegen. Meine Brust brannte, und das Atmen war mühsam. Ich war nicht einmal eine Minute gerannt, als ich mich zusammenkrümmte, mich festhielt, versuchte, mich nicht zu übergeben, sondern mich stattdessen bemühte, mir diese über das Wasser hüpfenden Steine vorzustellen. Einatmen, ausatmen, überhaupt atmen.
    In der Halle war niemand, obwohl ich ein Heulen hörte und auch Kampfgeräusche, das Knacken von Eis, Schreie, die plötzlich verstummten. Ich dachte an Vater Lawrence und Killy. An Mary. Grant. Zee zerrte fester an meiner Brust, während das Schwert in meiner Hand voller Licht summte. Ich hatte das Gefühl, ich wäre im Kreis gelaufen, weil ich an vielen Öffnungen vorbeigekommen war, die in die Eiswände geschnitten worden waren. Aber keine davon löste bei den Jungs eine entsprechende Reaktion aus.

    Bis der Flur plötzlich endete und ich mich in einer gewaltigen Halle wiederfand. In deren Mitte befand sich ein Labyrinth.
    Wie in jenem Tanzclub befanden sich auch hier Linien im Boden, im Eis, mit Silber ausgelegt. Und auch hier erwartete mich eine Frau auf dem Eis, in einen langen, seidenen Umhang in der Farbe von Schnee gehüllt, mit einer pelzbesetzten, weißen Kapuze, die ein junges, wunderbares Gesicht verdeckte.
    »Er wartet«, erklärte Nephele.
     
    Wir folgten dem eingravierten Labyrinth, folgten dem gewundenen Pfad, und jedes Mal, wenn ich von meinen Füßen und den eingravierten silbernen Linien hochblickte, hatte sich der Raum ein wenig verändert. Aus dem Eis wurde Stein, und die kalten, blauen Wände begannen pfirsichfarben zu leuchten.
    Mir wurde klar, dass es keineswegs so kompliziert sein müsste, zu Mr. Koenig zu kommen, sondern dass es eher eine Art Hommage war, ein Ritual, so etwas Ähnliches wie das, was es wohl auch für die Kläger in Chartres gewesen sein musste. Der Avatar mochte sich selbst einen Gott schimpfen, aber auch er betete, auch er erwies etwas Größerem, als er selbst es war, seine Ehrerbietung.
    Dem Labyrinth.
    Im Zentrum des Labyrinths veränderte sich der Raum ein letztes Mal. Mir verschwamm alles vor den Augen - mir schwindelte. Als ich wieder sehen konnte, stand ich im Tempel, in der Halle von Mr. Koenig, dem Erlkönig, mit ihren Steinen und Stalaktiten und den riesigen Säulen, die in unfassbarer Entfernung im Nebel standen. Es gab keine Tänzer und auch keine Glocken. Ich begriff diesen Ort nicht. Wie konnte er einfach jenseits der Realität existieren, wie vermochte es der König, ihn
zu schaffen? Und wie konnte es ihm dennoch verwehrt sein, das Labyrinth zu betreten?
    Ich sah ihn sofort. Ich hatte eine Armee aus Waffen, Zähnen und Feuer zwischen uns erwartet, aber Mr. Koenig stand allein da.
    Er trug eine lange, blutrote Robe, deren weite Kapuze er ein wenig über den Kopf gezogen hatte und die ein atemberaubendes Gesicht umrahmte, das zu vollkommen erschien, um noch

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