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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Magen, während ich die Augen vor dem strahlenden Licht verschloss.
    Meine Handfläche wurde heiß. Als ich die Augen schließlich wieder öffnete, hielt ich ein Schwert in der Hand.
    Ich kannte die Waffe. Ich hatte sie schon einmal von der Rüstung erbeten, vor drei Monaten. Es war zierlich und schlank und glühte heller als alles andere - in einem Licht, das aus der Waffe selbst zu kommen schien, so als wäre, als sie geschmiedet wurde, das Licht des Mondes in ihr eingefangen worden. Der gravierte Silbergriff passte genau in meine Hand. Von seinem Knauf führte eine Kette zu der eisernen Rüstung, die mein Handgelenk umgab, und kettete das Schwert daran fest. Die Klinge war von Runen bedeckt, ich fuhr mit der Hand über die rasiermesserscharfe Schneide. Funken stoben auf und Hitze strömte durch meine tätowierten Finger, als ich den Griff fester umfasste. Es fühlte sich gut an, dieses Schwert zu halten. Es fühlte sich so natürlich an, ganz wie ein Teil meines Körpers, eine beißende, silberne Nadel unter meiner Haut. Die Waffe wog nichts, aber sie zu halten schien mich drei Meter größer zu machen.

    Ich blickte hoch. Killy war stehengeblieben und starrte auf das Schwert.
    »Was habe ich da gerade gesehen?«, fragte sie mich scharf.
    »Frag mich nicht«, erwiderte ich. »Ich nehme nur das, was man mir gibt.«
    Sie stieß einen hässlichen Laut aus. »Gefährliche Leute wie du sollten nicht so verdammt ahnungslos sein.«
    »Ah«, gab ich zurück. »Danke für das Kompliment.«
    Killy schüttelte den Kopf und bedachte mich mit einem Blick, als wär ich nicht mehr als ein Stück Scheiße. Dann drehte sie sich um und rannte auf leichten Füßen davon, führte mich zu einem weiteren Durchgang. Dieser ganze Ort schien nur aus Fluren, Türen und Eis zu bestehen: ein Polar-Tempel, ein eiskalter Albtraum. Ich hörte merkwürdige Geräusche aus dem Raum hinter dem Durchgang, ein Zischen und Knirschen. Doch als ich einen Blick durch die Öffnung warf, sah ich nur noch einen Flur. Ich lief weiter, während das Schwert in meiner Hand summte, und fühlte, wie die Jungs einmal scharf an mir zogen.
    Ich roch Blut und hörte das Knacken von Knochen zwischen Zähnen. Es war ein nasses, kräftiges Kauen. Ich kannte diese Geräusche.
    »Frank!«, wiederholte Killy.
    Ich bog um eine Ecke in den Flur und stand in einer Höhle, die aus Stein und Eis gehackt worden zu sein schien. Eine hohle, graue Hülle, mit scharfen Spitzen gefüllt, die Axtschneiden glichen, welche man willkürlich zusammengeklebt hatte. In der Mitte des Raumes hatte man eine große Grube gegraben; das war ein Anblick, der mir ebenso unerwartet wie unpassend erschien, so als würde man ein Fußballfeld auf einer Toilette finden. Die Grube war mindestens sieben Meter tief. Ein
Gladiator-Krater oder ein mittelalterliches Gefängnis. In der Grube befanden sich Männer, zusammengekauerte Gestalten in schwarzen Roben, die an Eiswände gekettet waren, die sie niemals hätten aufhalten können, wenn sie aufgeregt gewesen wären. Was sie auch waren. Aber nicht, weil einer von ihnen fliehen wollte.
    Sie aßen. Wie Tiere verschlangen sie sich selbst, hockten dabei auf allen vieren. Der Boden der Grube schillerte in verschiedenen Schattierungen von Blutrot. Alt, sehr alt oder ganz frisch. Ich sah die Reste einer ganzen Kuh und mehrerer Schweine, deren Eingeweide in dampfenden Haufen dalagen, von Knien und Füßen zerquetscht wurden, während die Männer mit ihren scharfen Zähnen nacheinander schnappten und sich mit dem Gesicht in die Eingeweide und das Fleisch der toten Tiere gruben. Jede Menschlichkeit war aus ihrem Geist gelöscht. Sie mochten Berufstätige, Studenten, Ehemänner oder Väter gewesen sein, jetzt waren sie blutbesudelte Mörder. Mir stieg die Galle hoch.
    Killy packte meinen Arm und streckte die Hand aus. Rechts von uns, nicht weit entfernt, befanden sich zwei Männer. Der eine zerrte den anderen zum Rand der Grube. Der Erstere war von Kopf bis Fuß in ein schwarzes Gewand gekleidet, und eine ebenfalls schwarze Kapuze verhüllte seinen Kopf.
    Der Mann, der gezerrt wurde, war Vater Lawrence. Er war in Ketten geschlagen, spuckte um sich und knurrte. Sein rotes Auge glühte, und ein Fell bedeckte sein Gesicht.
    Killy lief los, bevor ich sie aufhalten konnte. Ich verfolgte sie, während ich gerade bemerkte, dass uns mehrere Augenpaare vom Boden der Grube aus fixierten, wie wild gewordene Haie in einem Becken, dessen Wasser mit rotem Schaum bedeckt war. Ich

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