In Den Armen Der Finsternis
sich leicht machen wollte. Er ließ mich los, sobald er das Geld sah.
Aber meine Mutter verschenkte nie etwas.
Sie trennte die Hauptschlagader in der Nähe seiner Lenden auf. Sein Blut spritzte überall hin, in den Staub, auf die Pflastersteine und auch auf meine Schuhe. Seine Schreie waren grauenvoll. Er flehte um Hilfe und erzählte uns, er habe Kinder.
Meine Mutter ließ ihn sterben und zwang mich, dabei zuzusehen. Dafür hasste ich sie. Nicht wegen der Art, wie sie mich gerettet hatte, sondern weil sie keine Gnade zeigte. Sie hatte mich doch auch zu einer Mörderin gemacht, indem sie mich zur Tatenlosigkeit verdammte - und das lastete schwer auf meinem Herzen. Ich wollte nicht töten. Nicht einmal in Notwehr. Ich wollte nicht so sein wie sie.
Das sagte ich auch zu meiner Mutter. Ich sagte es ihr, und sie lächelte nur traurig, strich mir das Haar zurück und tastete
mit ihren schmalen Fingern vorsichtig meinen blutenden Hals ab.
Wir ziehen den Ärger an, sagte sie. Wir können es nicht verhindern, mein Kleines. Man muss eben die Karten spielen, die man auf der Hand hat, die guten und die schlechten.
Fürchte dich nicht vor Fehlern. Du wirst ohnehin welche machen.
Hab keine Angst vor dir selbst. Denn manchmal wird dir genau das passieren.
Hab einfach Vertrauen. Das Spiel ist erst zu Ende, wenn du tot bist.
Es hatte mich Jahre gekostet herauszufinden, was das damit zu tun hatte, einen Straßenräuber einfach so verbluten zu lassen. Manchmal war ich auch später noch nicht sicher. Meine sicherste Vermutung nach all dieser Zeit war, dass sie wusste, wie wenig meine Selbstgerechtigkeit nach ihrem Tod wert sein würde. Und es war auch klar, dass - selbst wenn ich nicht so werden mochte wie sie - ich ihr doch sehr ähnlich werden würde. Ich würde auch töten, ich würde gnadenlos sein. Angesichts unseres Schicksals und angesichts dessen, wozu wir geboren waren, war das unausweichlich.
Und schon damals machte sie mir auf ihre Weise klar, dass das auch in Ordnung wäre. Ich würde den Ärger anziehen, und wie auch immer ich damit umgehen, wie auch immer ich werden würde - es war schon okay so. Ich war okay.
Nur stimmte das leider nicht. Nichts war okay.
Und ich würde niemals okay sein.
Wir bedeckten die Leichen mit Tischtüchern und Handtüchern. Um Mr. Koenig kümmerte ich mich selbst. Ich betrachtete sein lebloses, totenblasses Gesicht. Es wirkte vollkommen ausdruckslos.
Das ist schlimmer als bei den Dämonen, dachte ich. Dämonen konnte ich noch verstehen. Dämonenparasiten bewohnten ihre Wirtskörper, weil sie sich von der Energie des Schmerzes ernährten. Aber diese Besessenheit hier hatte nichts anderem gedient als dem reinen Vergnügen. Es war nur eine Haut gewesen, in der er ein wenig herumspazieren konnte - ein langer, brutaler Mord. Erst der Mord an der Person und dann der Mord am Körper.
Meine Jeans waren durch und durch mit Urin und Blut durchtränkt. Ich fühlte das Blut auf meinen Schenkeln. Killy hatte weniger an und war entsprechend schlimmer dran, nachdem sie über den Boden gekrochen war. Wir waren beide überall rot und stanken dazu.
Zee brachte mir eine neue Jeans aus dem Schatten, dunkelblauer, steifer Denim. Die Etiketten hafteten noch daran. Er tat das, während Killy oben war, sich wusch und umzog. Sie hatte die Jungs in Aktion gesehen, daran gab es nichts zu rütteln, aber ich sah keinen Grund, ihr die Existenz meiner Jungs weiter unter die Nase zu reiben.
Rohw und Aaz schlichen um die Bar herum, schnüffelten auf dem Boden und rochen an den Leichen, während sie aus den Whiskyflaschen tranken, die sie bei sich hatten. Dek und Mal waren ungewöhnlich schweigsam, so wie auch Zee, obwohl ich sah, wie er sich mit den Zwillingen beriet. Sie hatten die Köpfe gesenkt und hinterließen Kratzer im Boden. Die Stacheln auf ihren Rücken bogen sich vor Aufregung.
Ich stand von der Hüfte abwärts nackt vor Grant und hielt vollkommen still, während er auf einem Stuhl saß und meine Beine mit einem heißen, feuchten Lappen säuberte. Ich hätte es selbst getan, aber er hatte ja darauf bestanden. Er war blass und hustete erstickt. Er wusch meinen Hintern, meine Schenkel
und entfernte die Blutflecken, die durch den Stoff meiner Jeans gesickert waren. Er ging sehr sanft zu Werke. Während er arbeitete, strich ich ihm durchs Haar.
»Du bist krank«, erklärte ich. »Du brauchst Ruhe.«
»Mir geht’s ganz gut«, erwiderte er barsch. »Ich mache mir eher Sorgen um dich.«
»Leicht
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