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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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ebenfalls an sich und half mit seiner freien Hand Rohw und Aaz, Erde über die Frau in dem Grab zu schaufeln.
    Eine Jägerin. Meine Ahnfrau. Irgendwo verloren in der Geschichte, ermordet lange vor ihrer Zeit. Die Jungs hätten diese Frau niemals im Stich gelassen, bevor ihr Kind fähig war, sich selbst zu ernähren.

    Ich dachte an die Kugel, die man mir in den Kopf geschossen hatte. An Franco und seine Waffe. Ein Schnitt durch die Kehle war doch weit intimer. Die Frau hatte ihren Angreifer erkannt, oder vielleicht hatten auch mehr als eine Person sie festgehalten. Wahrscheinlich war sie bei Sonnenuntergang getötet worden. Die Jungs, vor allem Dek und Mal, hätten niemals jemanden so nahe an sich herangelassen, dass er diesen tödlichen Schlag hätte führen können.
    Er hat sein Wissen an mich weitergegeben , hatte Cribari gesagt. Er hat mir verraten, wie ich Sie aufhalten kann.
    Etwas bewegte sich im Wald hinter den Jungs. Zee und die anderen drehten sich gleichzeitig um und sahen dorthin. Meine rechte Hand brannte, als ich den Mann bemerkte, der sich aus den Schatten löste. Er war schlank und so durchtrainiert wie ein Schwimmer, er hatte ein bleiches, wie gemeißelt wirkendes Gesicht, das von langem, silbergrauem Haar umgeben war, das ihm bis über die Schultern reichte. Seine Augen waren rot und von bernsteinfarbenen Ringen umrahmt. Rubinbesetzte Silberkappen bedeckten die Enden seiner spitzen Ohren, und er trug eine dunkelrote Tunika über einer weiten, schwarzen Hose. Seine muskulösen Arme waren nackt, dabei so weiß wie Schnee, und seine Nägel wirkten strahlend weiß und so lang wie Krallen.
    »Also habt ihr eure Lady verloren«, sagte er leise und lächelte. »Wie bedauerlich. Andererseits wollte ich schon immer ein Vater sein.«
    Zee fauchte ihn an und beugte sich über das Baby, während sich Rohw und Aaz vor ihn hinstellten und ihre Klauen durch die toten Blätter zogen.
    »Nicht deins«, schnarrte Zee - und seine Augen funkelten. »Unseres, nicht deines.«

    »Hund«, zischte der Mann. »Bestie. Dämon. Wie wollt ihr euch denn um ein Baby kümmern? Ihr seid ja nur Sklaven. Sie wird sterben, wenn sie bei euch bleibt. Und wenn sie überlebt, dann wird sie ein Tier sein.« Er streckte die Hand aus und schnippte gebieterisch mit den Fingern. »Gebt sie mir. Jetzt oder später, ihr habt doch keine Wahl. Die Sonne wird in nur wenigen Stunden aufgehen.«
    Zee drückte das Baby noch fester an seine Brust und reckte sein Gesicht zum Himmel. Rohw und Aaz folgten seinem Beispiel und schlossen die Augen. Der Mann beobachtete sie, stirnrunzelnd und, wie ich dachte, voller Unbehagen und Gier. Gierig und mit Lust.
    »Hund«, wiederholte er, diesmal drängender. »Widersetze dich nicht…«
    Er brachte den Satz nicht zu Ende. Zee und die Jungs verschwanden und nahmen das Baby mit. Und mich auch. Das Letzte, was ich von dem Mann sah, den ich Mr. Koenig nannte, war das Glitzern der Rubine in seinem Ohr sowie die Fratze, die er zog und die sein Gesicht zu etwas Monströsem und Groteskem verzerrte.
    Dann waren wir woanders, am steinigen Strand einer aufgelösten, silbrigen See. Im Osten ging die Sonne auf, rosa Wolken zogen hinter mir über den Himmel, an den sich die letzten Morgensterne klammerten.
    »Strahlendes kleines Herz«, flüsterte Zee dem Baby zu und wiegte es sanft. »Wir sind jetzt deine Mütter, strahlende Süße. Wir werden dich gut unterrichten.«
    Rohw blickte in den Himmel und atmete rasselnd. Ich fühlte ein Kribbeln unter meinem Ohr, tief in meiner Narbe. Ein dunkler Pfeil zuckte vom Himmel, schoss rasch zur Erde hinab und landete auf den Spitzen von Füßen, die wie Dolche geformt
waren, scharf und glitzernd. Es war ein Dämon oder aber eine Kreatur, die so unmenschlich erschien, dass man ihr keinen anderen Namen geben konnte. Ein breitkrempiger Hut bedeckte den größten Teil seines Gesichts. Außerdem hatte er keine Arme, sondern nur einen Umhang, der sich im Wind bewegte, sowie Haare, die sich in der Luft schlängelten, als wäre jede einzelne Strähne ein von Leben erfülltes Tentakel.
    »Wir haben euren Ruf vernommen«, flüsterte Oturu und öffnete seinen Umhang. Ein Mann trat aus der Dunkelheit. Er hatte langes, schwarzes Haar, vorstehende Wangenknochen und eine Nase, die für sein Gesicht viel zu groß war. Er trug eine einfache, schwarze Kleidung, die so grob wirkte, als wäre sie auf einem Webstuhl angefertigt worden. An seinem Hals funkelte ein eiserner Kragen.
    Sucher. Er starrte das Baby

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