Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
Vom Netzwerk:
rappelte mich mühsam hoch. Rex hatte sich geirrt. Ebenso wie seine Königin. Sie versuchten wieder ihre alten Tricks. Ich konnte nur bei einer Sache, die er gesagt hatte, sicher sein, dass es stimmte. Ich musste den Avatar töten, und zwar schon bei der nächsten Gelegenheit, die sich mir bot. Und ich durfte nicht zulassen, dass er Grant in die Finger bekam.

    Gold blitzte auf. Ich sah zu Grant hinüber und bemerkte, dass das Medaillon seiner Mutter aus seinem Hemd gerutscht war. Der größte Teil der runden Scheibe war zwar noch bedeckt, aber ich sah genug von den verschlungenen Linien, um plötzlich ein déjà-vu zu haben.
    Ich hob die rechte Hand und musterte meine neue Handschelle, die sich an mein Handgelenk schmiegte. Das Metall schien nahtlos in meine tätowierte Haut zu fließen.
    »Selbst als Cyborg siehst du noch sexy aus«, erklärte Grant.
    »Vielen Dank«, antwortete ich trocken und deutete auf das Medaillon. »Darf ich das mal sehen?«
    Er runzelte die Stirn, zog dann jedoch die Kette über den Kopf und reichte sie mir. Ich hielt das Medaillon neben mein Handgelenk. Die beiden ersten Linien waren sich verblüffend ähnlich. Viel zu ähnlich, als dass es ein Zufall hätte sein können.
    »Oh«, stieß Grant hervor.
    Killy rührte sich, ihre Augenlider flatterten. Ich gab Grant die Kette zurück, und er betrachtete das Medaillon nachdenklich, bevor er die Kette wieder über den Kopf zog. »Meine Mutter sah eigentlich wie ein Mensch aus.«
    »Das tue ich auch«, erwiderte ich. »Und du ebenfalls. Selbst Mr. Koenig wirkte menschlich, aber wir wissen ja, was in ihm steckte.«
    »Man sollte eben niemals etwas nach seinem äußeren Schein beurteilen, richtig?«
    »Du solltest deine Mutter nicht verurteilen«, antwortete ich. »Jedenfalls nicht, bevor du die Fakten kennst.«
    »Es gibt aber gar keine Fakten.« Grant setzte sich auf und griff nach seinem Stock. »Es gibt nur Möglichkeiten.«
    Ich packte sein Handgelenk und hinderte ihn daran aufzustehen. »Wir wissen doch beide, dass du die Grenzen dessen,
was du vermagst, noch lange nicht erreicht hast. Damit will ich nicht vorschlagen, dass du sie austesten solltest. Aber eine Menge sehr mächtiger Individuen halten dich für gefährlich, und das hat schon etwas zu bedeuten. Wenn deine Mutter wusste, wozu du fähig warst, und es dir nicht gesagt hat, dann musste sie doch einen Grund gehabt haben.«
    Er zog seine Hand zurück. »Vielleicht denselben Grund, aus dem deine Mutter Geheimnisse vor dir hatte?«
    Geheimnisse. Zum Beispiel das Geheimnis über die Finsternis, die in mir schlummerte und mich zu überwältigen drohte. Eine Kraft, eine Entität, vor der meiner Mutter Angst gehabt hatte. Und dann Jack. Jack und noch andere. Ich wusste nicht, was mir mehr Angst machte: dass ich anfing, eine Verwendung für diese Macht zu finden oder dass ich immer noch nicht wusste, um was es sich eigentlich handelte und woher es gekommen war.
    »Möglich«, erwiderte ich. Plötzlich fiel es mir schwer zu sprechen. »Meine Mutter wollte mich beschützen. Sie wollte, dass ich so normal wie möglich aufwachse, ohne auch noch diese Bürde tragen zu müssen. Wir hatten ohnehin schon genug Probleme.«
    »Ich hatte jedenfalls Angst.« Grants Blick bohrte sich brennend in meinen. »Ich hatte Angst vor mir selbst, und ich musste damit allein fertig werden. Ich habe immer noch Angst, aber jetzt hab ich wenigstens dich. Ich wünschte nur… wenn sie… dass es nicht so lange gedauert hätte.«
    Ich nahm seine Hand. »Du weißt, dass sie dich geliebt hat. Das weißt du doch, oder?«
    Grant umfasste das Medaillon mit seiner anderen Hand und rieb mit dem Daumen über die beiden ersten Linien. Seine Miene wirkte ernst und nachdenklich. Ich wartete, voller Angst davor, was er sagen würde.

    Bis er sich ganz langsam vorbeugte und mich küsste. Er streichelte meinen Hals, fuhr mit dem Daumen über meine Lippen, und zwar so zärtlich, dass ich zu atmen vergaß.
    »Danke«, murmelte er.
    Erneut stieß Killy ein leises Stöhnen aus. Wir trennten uns zögernd und sahen sie an. Sie setzte sich auf und hielt ihren Kopf. Blut tropfte ihr aus der Nase.
    Ich half Grant aufzustehen, er stützte sich schwer auf seinen Gehstock. Er zuckte zusammen, als er sein schlimmes Bein belastete. Ich ging in die Küche, schnappte mir einen Lappen und warf ihn Killy zu, die sich unbeholfen damit die Nase wischte.
    »Vater Frank«, murmelte sie und betrachtete den Blutfleck. »Verdammt sollst du

Weitere Kostenlose Bücher