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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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sein.«
    »Können Sie sich mit ihm in Verbindung setzen?«, fragte ich sie.
    »Ich habe eine Festnetznummer.« Sie warf mir einen schmerzverzerrten, bösen Blick zu. »Aber ich bezweifle, dass er augenblicklich in der Lage ist, ans Telefon zu gehen.«
    »Das alles war nicht seine Schuld«, erklärte Grant zögernd. Er wirkte müde, erschöpft bis auf die Knochen.
    Killy rappelte sich auf und ignorierte meine helfend ausgestreckte Hand. »Aber er ist ein Teil davon. Er wusste genau, dass ich seine Bitte, ihm zu helfen, nicht ablehnen würde.«
    Ich verstand ihre Beziehung zu dem Priester zwar nicht genau, aber der Ausdruck der Verletzlichkeit auf ihrem Gesicht war sehr tief, tiefer, als es eine einfache Bekanntschaft erklären konnte. In ihren Augen lag der Schmerz des Verrats. Sie tat mir leid.
    Aus dem Gästezimmer drang ein Plumpsen bis zu uns. Ich griff in meine Jacke … nach einem Messer. Nach demselben Messer, das ich schon bei Mr. Koenig benutzt hatte. Ich hatte
es zwar nicht gründlich gesäubert, aber als ich den Stahl in der Hand hielt, begannen die Jungs, das Blut zu absorbieren. Killy sah die Tätowierungen an und zuckte heftig zurück. Dieses Mal machte es mir nichts aus, dass ein Fremder sie sah.
    Ich ging durchs Wohnzimmer zu der geschlossenen Tür des Gästezimmers und stieß sie auf.
    Auf dem Rand des Bettes saß ein Mann. Ich kannte sein Gesicht, über seinem Kopf flackerte aber keine dunkle Aura. Die rote Kappe saß schief auf seinem Haar, und der Werkzeuggürtel war verschwunden. Das war nicht Rex und auch kein Zombie. Das war nur ein einfacher Mann, der zum ersten Mal seit langer Zeit erwachte.
    Sogar ohne die fehlende Aura hätte ich den Unterschied sofort bemerkt. Sein Gesicht war schlaff, seine Augen trübe und müde. Das lag nicht nur an den Jahren der Besessenheit, sondern kam aus einer tieferen, essenziellen Quelle, so als würde ihn selbst das Atmen zu viel Mühe kosten.
    Grant trat hinter mich und sah den Mann an.
    »Hast du dir jemals Gedanken über seinen Wirt gemacht?«, fragte ich ihn.
    »Ich habe mich immer gewundert«, erwiderte er brummend. »Aber ich habe nie die richtige Antwort gefunden. Eine Besessenheit zuzulassen ist schrecklich, aber eine Kreatur zu ermorden, weil man einfach nur versucht zu überleben und etwas Besseres zu werden, das ist genauso unerträglich.«
    Früher einmal, und das war noch gar nicht so lange her, hatte ich nicht unter solchen Zweifeln gelitten. Die Sache war ganz einfach. Man ließ einfach keine Dämonen in sich hinein. Und man trieb sie aus, wenn man sie fand. All die Archie Limbauds dieser Welt mussten sterben.
    Trotzdem rührte ich mich nicht, als plötzlich ein Schatten
in den Raum flatterte. Ich zog nicht auch noch meinen anderen Handschuh aus und hob ebenso wenig meine tätowierten Hände gegen den Dämon, der hinter dem Kopf des sitzenden Mannes schwebte. Ich hätte es aber tun sollen, und zwar ohne zu zögern. Doch alles, was ich sah, waren nur diese müden Augen, die blicklos durch mich hindurchzusehen schienen, ohne eine Frage oder auch nur eine Sorge darum, wo er war und warum er hier war und wie er hierhergekommen sein mochte. Ich traf eine kalkulierte Entscheidung. Die Strategie überwog die Moral.
    Grant tat ebenfalls nichts, aber seine Qual über die eigene Unentschlossenheit durchfuhr mich wie ein Stich - und ich nahm seine Hand und drückte sie fest, während der dämonische Parasit in den Körper des Mannes sickerte und eine Spur aus schwarzen Wolken hinterließ, die über dem Kopf des Menschen schwebte. Ich beobachtete die Transformation. Im nächsten Moment erfüllte eine scharfe Intelligenz seine Augen, und auf seinem Gesicht zeichnete sich ein Ausdruck ab, den ich nur als bedingungslosen Willen zu leben beschreiben konnte.
    Rex. Ich hätte angeekelt sein sollen und mir Sorgen um seinen Wirt machen müssen, aber ich war jetzt so erledigt, dass ich stattdessen nur eine seltsam erschöpfte Erleichterung empfand. Rex war ein Dämon, ein Mistkerl, und eines Tages würde ich ihn vielleicht töten. Aber er war ein weit besserer Mistkerl als Mr. Koenig. Und ich brauchte doch jeden Verbündeten, den ich bekommen konnte, selbst wenn die Loyalität dieses Zombies ausschließlich Grant galt.
    Trotzdem konnte ich es nicht ertragen. Ich drehte mich herum, schob mich an Grant vorbei und verließ den Raum.
    Killy stand an der Tür der Wohnung und wühlte in ihrer Tasche. Sie zählte das Geld in ihrer Brieftasche, das ausschließlich in

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