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In den Armen der Nacht

Titel: In den Armen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Dodd Beate Darius
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geschlossen.
    Sie konnte einen Baum erkennen, dessen Äste bis in den Himmel ragten, das Blattwerk frühlingshaft grün und verheißungsvoll. Sie vernahm eine Männerstimme … Tasya, meine Kleine, solange du lebst, wird diese Eiche niemals sterben.
    Die Eiche war jedoch gestorben. Sie starb eines scheußlichen Todes.
    Tasya hingegen lebte. Sie lebte für ihre Rache, und um Rache üben zu können, brauchte sie die Ikone.
    Sie war dicht dran. Ganz dicht dran.
    Sie zerbrach sich den Kopf, überlegte hin und her, forschte in ihren Erinnerungen auf der Suche nach dem entscheidenden Hinweis.
    Unvermittelt hatte sie die Erleuchtung.
    Das war es! Tasyas Blick schweifte suchend durch die Kapelle. Ihre Augen glitten von dem Altartuch über den Boden und in die Spalten zwischen den Steinen, wo der Mörtel zu Staub zerfiel.
    Irgendjemand lag unter dem Altar bestattet.
    Aber natürlich! Ruriks und Tasyas Abenteuer hatte in einem Grab in Schottland begonnen. Und würde in einem Grab in Ruyshvania enden. So schloss sich der Kreis.
    Vor ihrem geistigen Auge formte sich eine Schatztruhe, die mit der in Schottland identisch war.
    Na super! Damit kam die Ernüchterung.
    Ich hab keinen Schlüssel! Tasyas Seele schwebte mit ausgebreiteten Armen durch die Kapelle. Mist, ohne den Schlüssel bin ich verloren!

    Plötzlich war sie hellwach und sprang auf.
    O doch, natürlich hatte sie den Schlüssel.
    Sie angelte hektisch nach ihrem Rucksack. Zerrte ihn vom Boden hoch. Wuchtete ihn neben sich auf die Bank.
    Zog den Reißverschluss von dem großen Hauptfach auf, wühlte darin herum.
    Der Schlüssel war nicht da.
    Er war auch nicht im Seitenfach des Rucksacks.
    Er war weder in dem blöden kleinen Handyfach noch in dem für die Kreditkarten oder dem eingenähten Täschchen für die Stifte. Er war auch nicht im Schmutzwäschebeutel oder in dem separaten Computerfach.
    Frustriert raufte sie sich die Haare.
    Jemand hatte den Schlüssel gestohlen.
    »Nein«, flüsterte sie.
    Er musste da sein. In dem geräumigen Rucksack verschwanden immer irgendwelche Dinge.
    Sie tastete den Boden des Rucksacks ab. Die Seiten - und in der Tasche für die Wasserflasche fand sie schließlich, was sie suchte. Eine lange, rostige Metallklinge.
    Allerdings war es gar keine Metallklinge.
    Den ganzen Weg durch Europa hatte dieses Ding in der Außentasche ihres Rucksacks herumgerappelt. Es war gegen Türrahmen geschlagen, auf den Boden geknallt und in die Gepäckfächer von Zügen gestopft worden. Als sie das Fach öffnete, stoben Rostpartikel auf, große und kleine, und als sie hineingriff, kam ihre Hand rostfleckig wieder zum Vorschein - mit einem Schlüssel.

    Nachdem die angebackene Rost- und Lehmkruste abgesprungen war, war der ausgefräste Bart wieder deutlich erkennbar - dieser Schlüssel hatte tausend Jahre in seinem Versteck auf der Isle of Roi gelegen, bis Tasya ihn fand.
    »Haben Sie ihn gefunden?«
    Sie wirbelte herum und gewahrte Schwester Maria Helvig. Sie saß eine Bank hinter ihr, lächelte weise und nickte.
    »Ja. Ich hatte ihn die ganze Zeit.« Tasya zeigte ihr den Schlüssel.
    »O ja, das hatten Sie.«
    »Und ich weiß auch, wo die Ikone ist.«
    Der Blick der Nonne heftete sich auf den Steinboden unter dem Altar.
    Demnach hatte die gute Ordensfrau immer gewusst, wo die Ikone war.
    »Werden Sie sie mitnehmen?«, erkundigte sie sich.
    »Aber natürlich! Deswegen bin ich ja hergekommen.« Tasya glitt aus dem Kirchengestühl.
    »Für Ihre Rache?«
    Tasya schluckte. »Woher wissen Sie das?«
    »Meine Schwestern sind bei mir. Sie erwarten mich.«
    Sie klang dermaßen überzeugend, dass Tasya sich unwillkürlich umdrehte, als rechnete sie insgeheim damit, dass eine Prozession von Ordensschwestern die hinteren Bänke bevölkerte.
    »Ich bin nicht verrückt.« Schwester Maria Helvig drehte den Kopf zur Seite und redete mit - niemandem. »Oder?«

    Vielleicht war sie weder verrückt noch senil. Vielleicht sah sie Dinge, die außer ihr niemand sah. Wusste Dinge, die sonst keiner wusste. Tasya schob sich in die hintere Kirchenbank und umarmte die alte Nonne. »Werde ich es schaffen?«
    Schwester Maria Helvig schob ihre Brille auf die Nasenwurzel und fixierte die junge Frau beschwörend. »Sie verstehen nichts von dem, was da vorgeht. Sie sind in einen alles entscheidenden Kampf verwickelt. Gut und Böse halten sich die Waage, und die Aktionen der einzelnen Beteiligten, egal wie klein, werden den Ausschlag geben.«
    Tasya wartete. Auf weitere Enthüllungen, mehr

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