In den Armen der Nacht
Bonbon in den Mund. »Ich habe bereits verschiedene Diäten ausprobiert, aber ich bin einfach zu anfällig.«
Dir irgendwelche Dinge in den Mund zu schieben, dachte Eve.
»Unsere Krankenversicherung zahlt keine Fettabsaugung. « Sie biss ein paar Mal krachend auf das Bonbon, schluckte es herunter und griff noch einmal zu. »Diese Knickersäcke. Sie zahlen solche Sachen nur, wenn man vorher ein halbes Jahr zu einer Ernährungsberatung geht und dort eine entsprechende Bescheinigung bekommt. Also bin ich zu dieser Quacksalberin gegangen und habe mir den ganzen Schwachsinn angehört, den sie abgesondert hat. Und was hat mir das gebracht?«
Vor lauter Zorn sog sie so heftig an dem Bonbon, dass Eve die Befürchtung hatte, es rutsche ihr womöglich in den Hals.
»Ich werde Ihnen sagen, was es mir gebracht hat. Ich habe in zwei Monaten zwei Kilo zugelegt. Nicht, dass mein Stu etwas dagegen hätte. Dann habe ich noch mehr zu lieben, sagt er immer zu mir. Trotzdem habe ich den ganzen Quatsch, den diese Frau erzählt hat, über mich ergehen lassen, aber meinen Sie vielleicht, ich hätte die Bescheinigung gekriegt? Oh nein, natürlich nicht!«
»Damit hatten Sie wahrscheinlich ein Problem.«
»Ja klar. Sie hat doch tatsächlich behauptet, ich wäre nicht qualifiziert. Was hat die sich bloß eingebildet?
Schließlich wäre ihr kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn sie den blöden Wisch für mich unterschrieben hätte, damit die Kasse die OP bezahlt. Leute wie sie machen mich krank.«
Sie zündete sich die nächste Zigarette an und runzelte hinter der Rauchfahne, die wie verbrannte Minze roch, erbost die Stirn.
»Haben Sie deswegen mit Mrs Swisher Streit bekommen? «
»Ich habe ihr gesagt, was ich von ihr und ihrer verdammten Diät halte, und habe ihr mit einer Schmerzensgeldklage gedroht. Das hätte ich auch durchgezogen, nur dass ihr Mann selber Anwalt war, was also hätte eine Klage wohl gebracht? Schließlich wissen wir doch alle, dass dieses Volk zusammenhält. Trotzdem tut es mir leid, dass sie tot sind«, fügte sie nach einem Augenblick hinzu.
»Seit seinem Ausscheiden beim Militär ist Ihr Mann bei …« Eve tat, als sehe sie in ihren Aufzeichnungen nach.
»Beim Sicherheitsdienst der Sky Mall. Es ist nicht gerade leicht, nur von der Pension zu leben, aber vor allem hat mein Stu gern etwas zu tun. Außerdem sind wir durch diesen Job besser versichert. Wenn er noch achtzehn Monate dort bleibt, zahlen sie mir die OP –«
Wenn du so weiterfutterst, Schwester, reicht eine Fettabsaugung nicht mehr aus. Dann braucht man einen Kran, wenn man dich je aus dieser Wohnung rausbekommen will. Laut sagte Eve: »Dann waren Sie also beide mit Mrs Swisher unzufrieden.«
»Natürlich waren wir das. Sie hat unser schwer verdientes Geld kassiert und nichts dafür getan.«
»Das ist natürlich ärgerlich, da Sie sich außer Stande sahen, gegen sie zu klagen, haben Sie doch sicher
auf irgendeinem anderen Weg nach einer Entschädigung gesucht.«
»Ich habe jede Menge Freundinnen und Stu hat jede Menge Freunde. Denen habe ich allen erzählt, was für eine Quacksalberin sie ist.« Ihr Dreifachkinn fing an zu schwabbeln, denn sie nickte zufrieden mit dem Kopf.
»Ich an Ihrer Stelle hätte eine persönlichere Form der Rache nehmen wollen, etwas, was ich mit Händen greifen kann. Vielleicht sind Sie und Ihr Mann ja zu Mr oder Mrs Swisher gegangen, um sich zu beschweren und um zu verlangen, dass sie Ihnen Ihr Geld zurückbezahlt.«
»Das hätte nichts gebracht.«
»War Ihr Mann letzte Nacht zwischen eins und drei zu Hause?«
»Wo hätte er wohl sonst sein sollen?«, fragte Jan sie hitzig. »Worum geht es überhaupt?«
»Um Ermittlungen in einem Mordfall. Ihr Mann war laut Militärakte bei den Feldjägern.«
»Acht Jahre. Na und?«
»Als er seinen Freunden erzählt hat, wie Sie von Mrs Swisher behandelt worden sind, haben die sich doch bestimmt ebenfalls darüber aufgeregt.«
»Das sollte man meinen. Das sollte man wirklich meinen. Aber die Leute haben nicht viel Mitgefühl mit einer Frau wie mir.«
»Das ist natürlich eine Schande. Und Sie haben keine Verwandten oder Freunde, die Ihnen das Geld für die Fettabsaugung leihen könnten?«
»Scheiße.« Sie blies Eve die nächste Rauchwolke ins Gesicht und schob sich das nächste Bonbon in den Mund. »Wen sollten wir schon kennen, der so viel Kohle hat? Ich war ein Armeekind, und mein Vater ist im Dienst fürs Vaterland gefallen, als ich sechzehn war. Die
Leute von Stu stehen
Weitere Kostenlose Bücher