In den Armen des Eroberers
Verdacht ausgesprochen hatte, ein blendendhelles Licht aufgegangen.
Honoria fröstelte; sie umschlang ihren Oberkörper mit den Armen und blickte finster zur Uhr. Mitternacht – und Devil war noch nicht zurück.
Da hörte sie, wie jemand den Türklopfer betätigte, und furchte die Stirn. Wer kam denn jetzt noch – um Mitternacht? Devil besaß einen Schlüssel, also …
Alle Farbe wich aus ihren Wangen. Ihr Herzschlag geriet ins Stolpern und begann zu rasen. Sie hatte den Flur schon zur Hälfte durchschritten, bevor sie merkte, daß sie sich bewegte. Dann raffte sie ihr Negligé und rannte.
Sie hastete die Galerie entlang zur Treppe, beugte sich atemlos über das Geländer und blickte nach unten. Webster stieß die Tür weit auf, eine schattenhafte Gestalt wurde sichtbar. Das Licht der Flurlampen fing sich in Vanes braunen Locken.
Er reichte Webster seinen Stock. »Wo ist Devil?«
Webster nahm den Stock entgegen und schloß die Tür. »Seine Gnaden sind noch nicht zurück, Sir.«
»Nicht?«
Trotz der Entfernung erkannte Honoria Vanes Verwunderung. »Ich glaube, er ist zu White's gegangen, Sir.«
»Ja, ich weiß.« Vane schien mit seinen Gedanken woanders zu sein. »Ich bin vor ihm aufgebrochen – mußte noch einen Freund aufsuchen, aber Devil hatte gleich nach mir gehen wollen. Ich hätte ihn inzwischen längst zu Hause vermutet.«
Mit klopfendem Herzen sah Honoria, wie die beiden Männer einander anstarrten – das schwarze Gespenst, das sie den ganzen Tag hatte abwehren können, fiel plötzlich über sie her. Sie beugte sich übers Geländer herab. »Vane?«
Er blickte blinzelnd nach oben. Sein Gesichtsausdruck war merkwürdig leer. Webster hob ebenfalls den Kopf, nur um ihn gleich wieder zu senken.
Vane räusperte sich. »Ja, Honoria?«
»Geh und such ihn. Bitte !« In dem letzten Wort zitterte ihre Angst mit.
Vane versuchte, sich ganz unbefangen zu geben. »Wahrscheinlich hat er Freunde getroffen und wurde aufgehalten.«
Honoria schüttelte heftig den Kopf, Panik stieg in ihr auf. »Nein – ihm ist etwas zugestoßen. Ich weiß es genau.« Ihre Finger krampften sich um das Geländer, die Knöchel traten weiß hervor. »Bitte – geh jetzt gleich!«
Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, ergriff Vane seinen Stock und wandte sich, angesteckt von ihrer Sorge, zur Tür.
Webster öffnete sie ihm auf der Stelle. Vane sprang die Stufen hinab und rekonstruierte in Gedanken Devils üblichen Heimweg von seinem Club. Nach zehn Schritten fiel ihm die Gasse zwischen Berkeley Square und Hays Mews ein. Fluchend rannte er los.
In St. Ives House stand Honoria noch immer am Kopf der Treppe und kämpfte gegen die aufsteigende Panik.
Webster schloß die Tür und blickte kurz zu Honoria hinauf. »Wenn Ihr gestattet, Madam, werde ich jetzt Sligo benachrichtigen.«
Honoria nickte. »Bitte, tut das.«
»Hah!« Devil verschwendete nicht viel Atem auf den Schrei – die Gasse war lang und eng; die hohen Ziegelmauern hatten keine Fenster. Mit der schmalen Klinge seines Schwertstocks vollführte er einen weiten Bogen und nutzte den Moment, in dem seine drei Angreifer schutzsuchend zurückwichen, dazu, den leblosen Körper auf dem Kopfsteinpflaster aus der Gefahrenzone zu ziehen.
Unverzüglich richtete er sich wieder auf. Sein Schwert zischte von einer Seite zur anderen. In der anderen Hand hielt er die leere Schwertscheide, die er benutzte, um die feindlichen Angriffe abzuwehren. Mit einem wilden Grinsen winkte er mit der Scheide. »Nun, meine Herren? Wer möchte der erste sein?«
Mit herausforderndem Blick maß er die drei Männer, ausgeschickt, um ihn zu töten. Ihrer Kleidung nach waren sie Seemänner, alle drei kräftig gebaut und mit schweren Schwertern bewaffnet.
Devil sah sich im Geiste nach einem Fluchtweg um, fand aber keinen. Bisher hatte ihn das Schicksal am Leben erhalten – das Schicksal in Gestalt von zwei Fässern, die in der gewöhnlich leeren Gasse stehengeblieben waren, und eines Mannes, der die Seemänner in den schlecht beleuchteten Durchgang getrieben hatte. Mit einem Schrei hatte der Mann sich ihnen entgegengestürzt und Devil so auf sie aufmerksam gemacht. Das Eingreifen des Fremden war wohl heldenhaft, aber nicht eben klug gewesen; nach kurzem Kampf hatte einer der Seeleute sein Schwert erhoben und ihn niedergestreckt.
In der Zwischenzeit jedoch hatte Devil mit dem Rücken zur Mauer, die zwei Fässer links von sich, einigermaßen Deckung genommen. »Kommt schon«, reizte er die Angreifer.
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