In den Armen des Eroberers
irgendwelche Bälle, aber wir gehen ja auch nicht um der Zerstreuung willen nach London. Nein. Ich denke, es gehört sich, daß ich 'Onoria vorstelle, selbst wenn die Familie Trauer trägt. Sie ist nicht betroffen. Ich habe alles mit deiner Tante 'Oratia besprochen – sie ist, wie ich, der Meinung, je früher der ton 'Onoria kennenlernt, desto besser.«
Devil warf Honoria einen raschen Blick zu; ihr verblüffter Blick entzückte ihn. »Eine großartige Idee, Maman .« In Honorias Augen glitzerte es silbern; Devil wandte schnell den Blick ab. »Paß aber gut auf, keiner alten Katze auf den Schwanz zu treten.«
Die Witwe winkte lässig ab. »Gib deiner Mutter gefälligst keine guten Ratschläge. Deine Tante und ich wissen genau, was wir zu tun haben. Wir werden uns keinerlei Extravaganzen erlauben und nichts tun, was … wie sagt man? … Staub aufwirbeln könnte? – Alles wird völlig comme il faut sein. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen – ich weiß ja, wie konservativ du allmählich wirst. Wir werden nichts tun, was deine empfindsame Seele verletzen könnte.«
Letztere Bemerkung raubte Devil die Sprache.
»Wirklich, heute morgen noch dachte ich mir, daß ich eigentlich in London bei deiner Tante Louise sein sollte. Ich bin schließlich die Matriarchin, nicht wahr? Da ist es meine Pflicht, der Familie beizustehen.« Die Herzogin-Witwe fixierte ihren Sohn mit einem unverkennbar matriarchalischen Blick. »Dein Vater hätte es so gewollt.«
Dieses Argument freilich schob jedem Widerspruch den Riegel vor – nicht, daß Devil hätte widersprechen wollen. Mit dem Seufzer eines schwer geplagten Menschen hob er die Hände. »Wenn du es wirklich möchtest, Maman, dann gebe ich unverzüglich entsprechende Anordnungen. Wir können morgen gegen Mittag aufbrechen, dann sind wir vor Einbruch der Nacht in London.«
»Bon!« Die Herzogin-Witwe sah Honoria an. »Wir sollten am besten gleich mit dem Packen beginnen.«
»O ja.« Honoria verstaute ihre Handarbeit im Korb und warf Devil einen raschen, triumphierenden Blick zu.
Mit ausdruckslosem Gesicht trat er beiseite, als sie und seine Mutter das Sommerhaus verließen. Erst als sie sich schon ein gutes Stück entfernt hatten, stieg auch er die Treppe hinunter und schlenderte, den Blick hochzufrieden auf Honorias ansehnliche Kurven geheftet, lässig hinter ihnen her.
St. Ives House am Grosvenor Square war bedeutend kleiner als Somersham Place, aber immer noch so groß, daß ein ganzes Bataillon darin verlorengehen konnte, was noch betont wurde durch das dort vorherrschende merkwürdig militärische Gebaren.
Auf dem Weg durch die Eingangshalle nickte Honoria Sligo zu und wunderte sich wieder einmal über Devil Cynsters Eigenheiten. Als sie zwei Tage zuvor in der Abenddämmerung eingetroffen waren, hatte sie zu ihrer Verblüffung erfahren, daß der dünne, drahtige Sligo mit den hängenden Schultern die Funktion des Majordomo innehatte. Sein Mondgesicht war sorgenzerfurcht und traurig, seine Kleidung von strenger Schlichtheit, allerdings schlecht sitzend. Sein Tonfall war barsch, als befände er sich immer noch auf dem Exerzierplatz.
Später hatte Honoria die Herzogin-Witwe über ihn befragt und erfahren, daß Sligo Devils Bursche vor Waterloo gewesen war. Er war seinem vormaligen Captain blind ergeben; nach der Auflösung der Truppe war er ihm einfach gefolgt. Devil hatte ihn zu seinem Faktotum ernannt. Sligo blieb in St. Ives House und erfüllte Hausmeisterpflichten, wenn die Familie nicht dort residierte. Wenn sein Herr jedoch anwesend war, verfiel er, wie Honoria vermutete, wieder in seine alte Rolle.
Die Kutsche der St. Ives', die die Herzogin-Witwe und Honoria zur Bruton Street brachte, war eben rumpelnd um die Kurve gebogen, als Vane Cynster Grosvenor Square erreichte. Mit großen Schritten und schwingendem Stöckchen stieg er die Treppe zum imposanten Heim seines Vetters hinauf. Eben schickte er sich an zu klopfen, als die Tür sich schon nach innen öffnete. Sligo stürmte hinaus.
»Oh! Verzeihung, Sir!« Sligo preßte sich an den Türpfosten.
»Hab Euch nicht gesehen, Sir.«
Vane lächelte. »Schon gut, Sligo.«
»Befehl des Capt'ns. Ein dringender Auftrag.« Sligo klopfte sich an die Brust, raschelndes Pergament zeugte von seiner Mission. »Wenn Ihr mich bitte entschuldigen wollt, Sir?«
Durch Vanes benommenes Nicken entlassen, sprang Sligo die Stufen hinunter und rannte zur Straßenecke, wo er eine Droschke heranwinkte und einstieg. Vane schüttelte
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