In den Armen des Feindes
über die Blüten eines Lavendelzweigs, um sich zu überzeugen, dass alles wahr war, was sie sah. In diesem kleinen Garten hielt sie auf ihre Weise ihre Familie lebendig, bewahrte in jeder Blüte die Erinnerung an sie.
Selbst Gregory hatte das nicht verstanden, als er sie an dem Tag seines Abschieds vor einem Jahr – ohne es zu wissen – verletzte. Rosalind erinnerte sich, wie sie ihm am Tag der Abreise eine makellose Lilie gepflückt hatte. Doch ihr zukünftiger Gatte hatte ihr liebevolles Geschenk achtlos über Bord seines vom Ufer abstoßenden Bootes in die Wellen des Solway Firth fallen lassen.
Gerührt von dieser Liebenswürdigkeit machte sie sich auf den Weg zur Küche und überlegte dabei, warum der Eroberer von Beaumont es wohl zugelassen hatte, dass ihr Garten verschont blieb. Gegenüber dem Laird der McNair wollte sie gar keine Dankbarkeit empfinden, doch es gab keinen anderen Namen für dieses Gefühl der Erleichterung, das sie empfand, als sie den Zufluchtsort ihrer Mutter unversehrt vorgefunden hatte.
Sie war nur noch einige Schritte von der Küche entfernt, als das dröhnende Geräusch von Hufen, die über den Burghof galoppierten, sie sich umwenden ließ. Eine wohl bekannte Silhouette tauchte in ihrem Blickfeld auf, die kräftigen Schultern McNairs, die sich im Rhythmus seines Pferdes bewegten, bis er vom Rücken des Tieres sprang und ihr zuwinkte.
"Die geerntete Gerste bringt Eure Leute zweimal über diesen Winter, Rosalind." Mit seinen großen Schritten war er so schnell dicht bei ihr, dass sie gar nicht mehr daran denken konnte zurückzuweichen. "Ich glaube, um das zu feiern, sollten wir bis spät in die Nacht auf die gute Ernte anstoßen und morgen einen Ruhetag einlegen."
"Das würde … sicherlich begrüßt." Verlegen leckte sie sich die Lippen und wusste nicht so recht, was sie sonst zu einem Mann sagen sollte, den sie einfach nicht als Freund behandeln konnte. "Danke, dass Ihr meine Blumen verschont habt."
Indem sie ihren Empfindungen Ausdruck verlieh, würde sie vielleicht ein besseres Verhältnis zu ihm bekommen. Sie hatte nicht das Gefühl, dass sie diesem Mann etwas schuldete, dennoch wollte sie ihm sagen, wie dankbar sie ihm für seine Rücksicht auf ihren geliebten Garten war.
"Ihr müsst mir nicht dafür danken." Unschlüssig sah er auf sie herab, als wüsste er nicht so recht, wie er ihre Worte verstehen sollte. "Ich bemerkte, dass Ihr die Felder verlassen habt, und dachte, ich schau mal nach, ob Ihr bei irgendetwas Hilfe braucht."
Einen atemlosen Augenblick lang sah Rosalind den Mann in ihm statt den Eroberer. Ein gut aussehender, attraktiver Mann schmeichelte ihr mit seiner Aufmerksamkeit. Die Sonne schien warm auf sie herab und die anderen Stimmen im Burghof – eine Hand voll Dorfbuben spielten mit einem kleinen Hund, Mägde aus der Küche holten Wasser vom Brunnen – schwanden plötzlich, und es war still. In diesen wenigen Sekunden erkannte Rosalind, was sie für ihn hätte empfinden können, wenn sie sich unter anderen Umständen begegnet wären. Seine blauen Augen wurden dunkel und schmal, und sie hatte mit einem Mal das Gefühl, er blickte so tief in ihr Inneres, dass er sehen konnte, wie ihr Herz immer schneller schlug, erkennen konnte, wie verwirrt sie war, weil sie sich so zu ihm hingezogen fühlte. Was war nur an ihm, dass sie ihn anstarren musste, als wenn sie noch nie einen Mann gesehen hätte? Als wären diese muskulösen Arme und die schmalen Hüften anders als bei jedem anderen Mann?
Verwirrt überlegte sie, ob sie ihm nicht einfach den Rücken zuwenden und sich in die Küche zurückziehen sollte, da haschte er just in diesem Augenblick nach einer Locke ihres Haares, das ihr offen auf die Schultern fiel. Mit Daumen und Zeigefinger strich er drüber hin.
"Rosalind." Er sprach den Namen gedehnt, fast wie eine kleine Melodie.
Der Himmel mochte ihr beistehen, sie hätte in diesem dunklen Blick versinken können, in diese starken Arme …
"Ich brauche keine Hilfe", stieß sie rasch heraus und wich einen Schritt zurück. Sie musste einen größeren Abstand zwischen sich und ihn bringen, sonst würde sie am Ende noch dem lächerlichen Drängen ihrer verräterischen Gedanken nachgeben. "Ich muss nach dem Essen sehen."
Sanft legte er die störrische Locke wieder zu der Haarfülle, die ihr über den Rücken fiel. "Ja. Ihr werdet heute Abend den Platz neben mir einnehmen. Es ist Eure Ernte, die wir feiern."
Sie nickte und entzog sich hastig ihm und seinem allzu
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