In den Armen des Freibeuters: Erst wies sie ihn ab - doch dann entflammte seine Leidenschaft ihr Herz (German Edition)
Ich mache nicht den Fehler, dich zu unterschätzen, und du solltest das auch nicht tun, O’Connor.«
»Ich habe Sie nach meinem Vater gefragt«, erwiderte Jack kalt.
»Vielleicht habe ich ja gar nichts gemeint, sondern wollte dich nur neugierig machen. Oder vielleicht wollte ich doch, dass du herausfindest, was mit deinem Vater wirklich passiert ist? Möglicherweise ist es auch gar nicht mehr wichtig, denn im Moment hast du ganz andere Sorgen, glaube mir.« Das Grinsen in dem abgezehrten Gesicht war geisterhaft. Jack hatte das Gefühl, ein mit bleicher Haut überzogener Totenschädel lachte ihn an.
Plötzlich wurde Daugherty ernst. »Du wirst verschwinden. Und zwar schnell. Charles will diese Jessica Finnegan haben, und er wird sie auch bekommen, dafür werde ich sorgen.«
Jacks Augen wurden schmal. »Stellen Sie sich das nicht ein wenig zu leicht vor?«
Daugherty winkte mit einer schwachen Bewegung ab. »Charles hat sich verändert, seit sie hier ist. Ich hätte ihm niemals zugetraut, dass er sich einer Frau wegen duelliert. Er hat mir sogar schon ein- oder zweimal widersprochen und meine Entscheidungen in Frage gestellt. Diese Jessica scheint das Zeug zu haben, einen Mann aus ihm zu machen. Etwas, das ich all die Jahre nicht geschafft habe.«
»Sie sollten sich besser eine andere Frau suchen, die das übernimmt«, knurrte Jack.
In diesem Moment entstand eine Bewegung hinter ihm. Er fuhr herum, seine Hand lag schon auf dem Pistolengriff, aber der Mann, der nun hereinkam und nach einem kurzen Blick auf den Tiger zum Bett trat, war nicht bewaffnet. »Gehen Sie jetzt. Der Sahib braucht Ruhe, und ich muss ihn behandeln.«
»Nur zu gerne«, erwiderte Jack. Er hatte hier auch nichts mehr verloren. Je eher er fortkam, desto besser. Und seine Rätsel sollte El Capitano mit ins Grab nehmen. Er hatte recht: Jack hatte im Moment tatsächlich ganz andere Sorgen. »Sie können mir drohen«, sagte Jack mit einem letzten Blick auf den kranken, verstümmelten Körper. »Aber Sie haben bekommen, was Sie verdient haben.« Der Arzt schob Jack hinaus, und dann fiel die Tür hinter ihm zu.
Jack ritt mit seinen beiden Männern auf dem schnellsten Weg zu Sir Percivals Haus, das zwischen dem in Alipur gelegenen Anwesen von Daugherty und dem Hafen lag. Er musste sich davon überzeugen, dass sich Jessica schon in Sicherheit befand. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.
Der kürzeste Weg führte durch den bevölkertsten Stadtteil Kalkuttas. Sie lenkten ihre Pferde durch eine Gruppe turbantragender Sepoys, wie die einheimischen Soldaten der East India Company hießen, vorbei an Straßenhändlern, einer Horde lachender und schmutziger kleiner Kinder, die sich gegenseitig eine Melone abjagen wollten. Jack hielt sein Pferd an, um den von vier Trägern geschleppten Palankin eines reichen Engländers vorbeizulassen, als plötzlich jemand vortrat und nach seinem Zügel griff.
Jack erkannte zu seiner Überraschung Martin. Sein Freund warf ihm einen warnenden Blick zu und verschwand dann in einer engen und schmutzigen Seitenstraße. Jack stieg ab, übergab sein Pferd einem seiner Begleiter und folgte Martin, der die Straße entlangging, einem von einem mageren Mann gezogenen Karren auswich, der sich kaum durch die enge Straße zwängen konnte, und dann in einem Hauseingang verschwand.
Jack trat nach ihm ein. Er musste sich bücken, um unter der niedrigen Tür hindurchzugehen. Drinnen hüllte ihn in der Dunkelheit des kleinen Raums der Geruch nach Abort, Jasminblüten und scharf gewürztem Essen ein. Martin wartete gleich neben dem Eingang auf ihn.
»Sie haben bereits die Hafengeschütze auf die Tuesday gerichtet. Ein Kanonenboot der Hafenwache ist längsseits gegangen. Jenkins konnte noch einen Mann losschicken, der mich gewarnt hat.«
Jack ballte die Fäuste. »Und Smithy?«
»Den halten sie bei Sir Percival fest. Dort warten sie nun auch auf dich. Einige Soldaten und Sir Percival mit Harding.«
»Also macht sogar Vanessas Vetter gemeinsame Sache mit Harding«, stellte Jack verbittert fest.
»Harding hat hier keinen schlechten Ruf. Er gehört zu Daugherty, und der ist ein wichtiges Mitglied der East India Company.«
»Daugherty ist sogar noch ein bisschen mehr«, ergänzte Jack mit Schärfe. »Er ist El Capitano.«
In Martins Augen blitzte es überrascht auf. »Hat er dir das gesagt?«
»Ich habe es selbst herausgefunden. Er hat zwar keine Ähnlichkeit mehr mit dem Mann, in dessen Anwesenheit mich Harding damals
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