In den Armen des Freibeuters: Erst wies sie ihn ab - doch dann entflammte seine Leidenschaft ihr Herz (German Edition)
»Wo darf man denn überall nicht hingreifen?« Ihre Hände strichen, auf der Suche nach möglichen Verwundungen, federleicht über seinen Rücken, seine Schultern, seine Arme. Als er vor Jahren einmal heimgekommen war, hatte er quer über die Schulter eine tiefe Säbelwunde von einer Auseinandersetzung mit Piraten gehabt, die ihm lange zu schaffen gemacht hatte.
»Diesmal habe ich keine Blessuren. Du darfst mich ruhig drücken.« Jack grinste und zog sie ein bisschen enger, bis er abermals deutlich ihren Körper fühlte, der sich an ihn schmiegte. Dann noch ein bisschen enger. Er atmete erneut ihren Duft ein, kostete dieses wohlige, warme Gefühl aus, bis sie sich plötzlich sehr energisch von ihm freimachte und einige Schritte zurücktrat.
Seine Arme fühlten sich mit einem Mal seltsam leer an, und am liebsten hätte er wieder nach ihr gegriffen.
»Smithy hat mir von euren Abenteuern erzählt.« Jessica nahm ihn an der Hand und zog ihn zu einer kleinen Bank unter dem größten Apfelbaum. Jack tastete darüber. Er war früher oft hier gesessen, wenn er die Finnegans besucht hatte. Es war eine schöne, friedliche Zeit gewesen.
Sie setzte sich neben ihn, und er bemerkte, dass sie fröstelte. Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr um, bevor er sich neben ihr niederließ. Er lehnte sich an den Stamm des Baumes und spürte, wie Jessicas Hand sich vertrauensvoll in seine schmiegte – genauso wie früher, als sie noch ein Kind gewesen war. Er schloss die Augen und spürte dieser Empfindung nach. Ja, so fühlte es sich an, wenn man wieder daheim war. Sogar der Garten roch so wie immer. Wie dumm von ihm, dass er so lange ferngeblieben war. Aber die Jahre waren schnell vergangen. Wenn man von einem Hafen zum anderen segelte, Schiffe verfolgte, das Leben an Bord gleichförmig wurde wie der endlose Ozean, verlor man das Zeitgefühl.
Eine angenehme Ruhe überkam ihn, die Erleichterung, willkommen und zu Hause zu sein. Sie saßen ganz still, und Jack merkte, wie sich Jessicas Hand in seiner entspannte. Sie schwieg so lange, dass er schon dachte, sie wäre neben ihm eingeschlafen, bis sie fragte: »Warst du schon bei Vanessa?«
»Nein.« Er lachte leise und drückte ihre Hand. »Die Mauer dort war mir zu hoch.«
Als Jessica am nächsten Morgen erwachte, war sie zum ersten Mal nach langer Zeit wieder glücklich. Im Halbschlaf wusste sie nicht, woher dieses Gefühl kam, fühlte nur diesen unterschwelligen Wunsch zu lachen und aufzuspringen, aber dann fuhr sie tatsächlich auf, so dass sie im Bett saß und mit weit geöffneten Augen zum Fenster starrte.
Jack war gekommen. Ihr Atem ging schneller, sie konnte ihren Herzschlag bis in den Hals fühlen, und zugleich war es, als würde sie zu wenig Luft bekommen. Es war keiner von jenen Träumen gewesen, aus denen sie glücklich erwachte und unglücklich aufstand. Es war die Wahrheit. Sie sank wieder zurück in ihre Kissen und blieb noch eine Weile mit geschlossenen Augen liegen, um dem Singen der Vögel draußen im Garten und dem warmen Glücksgefühl in ihrem Inneren zu lauschen.
Das Haus war schon voller Leben, sie hörte ihre Eltern und ihre Schwester sowie die Köchin, die gerade das Dienstmädchen schalt. Aber noch konnte sie sich nicht dazu überwinden, das Bett zu verlassen. Wo Jack wohl in diesem Moment war? Zu dumm, dass er in einer Herberge wohnte anstatt bei ihnen. Die Vorstellung, ihn schon am Frühstückstisch vorzufinden oder Wand an Wand mit ihm zu schlafen, in dem Wissen, dass er da war, wäre wunderbar. Aber er hatte ihr erzählt, dass er an diesem Morgen die McRawleys aufsuchen wollte. Vanessa würde sicherlich darauf bestehen, dass er bei ihnen wohnte. Oder vielleicht bezog er Quartier in seiner alten Wohnung, die sich über den Büros der Company befand. Vanessa hatte dafür gesorgt, dass die Räume für ihn freigehalten wurden und seine Sachen so blieben, wie er sie zurückgelassen hatte.
Als er wieder gegangen – beziehungsweise über die Mauer hinausgeklettert – war, hatte sie ihn an der Jacke festgehalten. »Jack, wenn du morgen verschwunden bist, kannst du etwas erleben.«
»Ich verschwinde nicht so schnell.« Jessica hatte sein Gesicht nicht sehen können, aber das Grinsen in seiner Stimme gehört und die Aufrichtigkeit. Er hatte nicht anders geklungen als früher, und sie hätte sein Gesicht dabei genau beschreiben können. Sie hätte Marietta zwar für ihre Worte schlagen können, aber diese hatte nicht unrecht gehabt. Jessica war Jack
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