In den Armen des Freibeuters: Erst wies sie ihn ab - doch dann entflammte seine Leidenschaft ihr Herz (German Edition)
hierbleiben wollte.
»Jessica? Jessica!«
Jessica fuhr hoch. An den Blicken ihrer Familie erkannte sie, dass ihre Mutter sie offenbar schon mehrmals angesprochen hatte. Amanda grinste, Alberta sah sie prüfend an, und ihr Vater schmunzelte. »Die Teetasse muss schon unten durchgeschabt sein, so lange hast du gerührt«, ließ sich ihr Bruder vernehmen.
»Alberta hat dich gefragt, ob du sie heute auf den Markt begleiten willst«, wiederholte Alice Finnegan.
»Die junge Dame scheint heute noch weiterzuträumen«, stellte Tante Alberta in ihrer trockenen Art fest. »Das muss ja ein schöner Traum gewesen sein, wenn es dir so schwerfällt, davon aufzuwachen.«
Jessica warf ihr einen misstrauischen Blick zu. Von Albertas Zimmer aus konnte man nicht in den Garten sehen, aber wenn sie in der Küche oder auf dem Gang gewesen war, dann hatte sie vielleicht beobachtet, wie Jessica hinuntergelaufen war und mit Jack gesprochen hatte. Albertas Gesicht war jedoch ausdruckslos. Nein, sie hatte nichts gesehen. Jessica zwang sich zu einem Lächeln.
»Nun?« Alberta hob die Augenbrauen.
Jessica wollte zuerst nach einer Ausrede suchen. Schließlich war es möglich, dass Jack vor oder nach seinem Besuch bei Vanessa auch bei ihrer Familie vorbeischaute, und da wollte sie daheim sein. Dann sah sie an sich herab. Sie hatte eines ihrer besseren Kleider gewählt. Um nichts in der Welt wollte sie Jack in einem der abgetragenen Gewänder begegnen, in denen sie sonst ihren täglichen Pflichten nachging. Aber wäre jetzt nicht die Gelegenheit, ihre Garderobe aufzubessern? Neue Handschuhe vielleicht? Ein hübsches Tuch? Vielleicht konnte sie beim Schuster vorbeisehen, ihre leichten Stiefel waren schon recht abgetragen. Und mit dem Besuch auf dem Markt ließ sich gut eine Gelegenheit verbinden, nach neuen Stoffen Ausschau zu halten.
»Jessica träumt schon wieder«, drang die Stimme ihrer Schwester in ihre Überlegungen.
»Ganz und gar nicht«, wies sie Amanda zurecht. »Ich habe nur nachgedacht, was wir am Markt brauchen.« Sie wandte sich Alberta zu. »Ich komme natürlich gerne mit.«
Jacks Nacht war nur kurz gewesen. Nachdem er sich von Jessica mit einem Kuss auf die Wange verabschiedet hatte und wieder über die Mauer geklettert war, hatte er sich im Gegensatz zu Jessica nicht auf dem schnellsten Weg in sein Bett begeben, sondern war noch durch die Stadt gewandert, hatte seine Gedanken schweifen lassen und war erst im Morgengrauen in seine Herberge zurückgekehrt. Er hatte noch zwei Stunden geschlafen und war dann wieder losgezogen. Er wollte Smithy treffen, der wie immer in der Nähe des Hafens wohnte.
Auf dem Weg zu Smithys Quartier kam Jack beim Markt vorbei, wo sein Interesse von zwei jungen Frauen angezogen wurde, die ihn veranlassten, stehen zu bleiben und sie zu beobachten. Seine Aufmerksamkeit war zuerst von der auffallenden Schönheit erregt worden, die er unschwer als Marietta, seine ehemalige Verlobte, erkannte, war aber unmittelbar darauf zu deren Begleiterin gewandert und dort dauerhaft hängen geblieben.
Donnerwetter, war das Mädchen hübsch geworden. Er hatte sie in der Nacht davor nur gefühlt und nicht gesehen, und trotz der offensichtlichen körperlichen Veränderungen – die sehr wohl spürbar gewesen waren – hatte ihn nichts auf den Anblick vorbereitet, den sie ihm bei Tageslicht bot.
Niemand, und am wenigsten er, hätte gedacht, dass aus Jessica Finnegan eine Schönheit werden würde. Nein, keine Schönheit, überlegte er, als er sie beobachtete und zusah, wie sie sich bewegte, wie sie lächelte, den Kopf neigte. Sie war aber auch nicht hübsch, es lag irgendwo dazwischen. Apart war wohl der richtige Ausdruck für eine Frau, deren Gesichtszüge nicht regelmäßig genug für Schönheit waren, die nicht dem klassischen Ideal oder jenem Puppenhaften entsprach, das Marietta anhaftete. Ihr glattes Haar glänzte selbst unter dem seltsamen Hütchen noch wie dunkle Seide. Er wusste, wie es offen aussah, es war früher das Schönste an ihr gewesen, auch wenn sie es meist zu praktischen Zöpfen geflochten gehabt hatte.
Ihr Mienenspiel war lebendig wie eh und je. Ihre Gesichtszüge veränderten sich laufend, waren einmal streng, fast herb, dann wieder weich und anziehend, wenn sie lächelte. Sie lächelte nicht oft, sondern sie schien nervös zu sein und blickte suchend um sich.
Er folgte den beiden und bemerkte, dass so manch anderer Mann hinübersah. Allerdings blickten die meisten auf Marietta in ihrem
Weitere Kostenlose Bücher