In den Armen des Freibeuters: Erst wies sie ihn ab - doch dann entflammte seine Leidenschaft ihr Herz (German Edition)
gekommen. Jessica legte ihre Hände um sein Gesicht. Sie spürte sein Lächeln.
»Jack …« Mehr konnte sie nicht sagen, dann brach sie in Tränen aus.
Jack war bestürzt, als er ihr unterdrücktes Schluchzen hörte. Er war sich nicht sicher gewesen, wie er von ihr empfangen werden würde, nachdem er so lange Zeit nichts von sich hatte hören lassen. Aber er hatte bestimmt nicht die Absicht gehabt, einfach in der Nacht bei ihr aufzutauchen. Und jetzt stand dieses Mädchen vor ihm, klammerte sich an seine Jackenaufschläge, verbarg sein Gesicht an seiner Brust und weinte.
Er legte vorsichtig die Arme um sie, streichelte über ihren Rücken und legte die Wange auf ihr Haar. Als sie zuletzt in seinen Armen geweint hatte, hatte sie sich noch anders angefühlt. Sie war viel kleiner gewesen, magerer. Doch das Schluchzen war ähnlich ausgefallen. Unterdrückt, fast lautlos, aber so heftig, dass ihr ganzer Körper zitterte. Damals hatte ihn keine fröhliche, freche kleine Schwester begrüßt, sondern ein verschämtes und verzweifeltes kleines Mädchen, das vom Pferd gestürzt war und sich an einem scharfen Stein die Wange aufgerissen hatte. Jack hatte schon alle Arten von schwersten Verletzungen und Verstümmelungen gesehen, aber nie hatte ihm etwas so zugesetzt wie die relativ harmlose Wunde in Jessicas Gesicht, auch wenn er sich sehr bemüht hatte, es ihr nicht zu zeigen, sondern alles getan hatte, um sie aufzumuntern.
»Jessie, Mädchen …«, er sprach ganz sanft, flüsterte in ihr Haar hinein, zog sie noch etwas enger an sich und streichelte über ihren Rücken. Trotz seiner Besorgnis um sie mischte sich etwas anderes in seine Empfindungen. Sie war wirklich angenehm weich, und die Art, wie sie sich an ihn schmiegte, … hm … Jack konnte nicht den richtigen Ausdruck finden, aber »Wohlbehagen« passte vielleicht zu dem Gefühl, das in ihm ausgelöst wurde.
Er atmete ihren Duft ein. Ja, daran konnte er sich erinnern. So hatte sie schon früher gerochen. Nach Rosen, Lavendelseife, nach Jessica. Und doch war er jetzt intensiver, fraulicher. Eine Frau, die aus dem Bett stieg, hatte einen eigenen, sehr anregenden Geruch.
Sie löste eine Hand von seiner Jacke und tastete hinunter, zur Tasche ihres Morgenmantels, um ein Taschentuch hervorzuholen. Dabei streifte sie seine Brust, seinen Bauch und noch etwas anderes weiter unten, was ihn unwillkürlich scharf die Luft einziehen ließ. Er war etwas verlegen, aber nicht wirklich erstaunt über seine eigene Reaktion. Ihr Körper hatte sich so gut an seinen geschmiegt angefühlt, dass ihm – wäre sie nicht so etwas wie seine kleine Schwester gewesen – Ideen gekommen wären, die nicht mehr viel mit Brüderlichkeit zu tun hatten. Gerade nach den vielen Wochen, die er auf dem Schiff und ohne weibliche Gesellschaft verbracht hatte.
Nun entwand sie sich seiner Umarmung. Er ließ sie nur widerwillig los und hörte, wie sie sich in das Tüchlein schneuzte.
»Entschuldige, bitte.« Ihre Stimme klang undeutlich. »Ich war nur so erschrocken.«
»Erschrocken?«
Sie nickte, was er daran spürte, wie ihre Haare sein Kinn streiften. »Ich dachte zuerst, es wäre ein Einbrecher, und als du mich dann gepackt hast, hätte ich fast geschrien.«
»Dann ist also alles in Ordnung?« Er wusste, dass er besorgt klang. Jessica war kein Mädchen, das so leicht weinte. Er hatte sie als Kind mehr als einmal mit aufgeschlagenen Ellbogen und Händen, sogar mit blutiger Nase gesehen, die Lippen trotzig zusammengepresst, die Augen voller Tränen, aber sie hatte nicht geweint.
»Ja.« Das klang schon ungeduldig. »Aber was fällt dir eigentlich ein, dich mitten in der Nacht hier hereinzuschleichen? Was wäre gewesen, wenn ich die anderen gerufen hätte?«
»Ich hatte nicht gedacht, dass überhaupt noch jemand wach ist.«
Jessica schniefte ein wenig auf. »Und weshalb bist du dann über die Mauer gesprungen?«
»Einige betrunkene Matrosen waren hinter mir her, und die Gartentür war verschlossen. Also bin ich eben über die Mauer geklettert.«
»Nun ja«, seufzte Jessica unvermittelt. »Und jetzt bist du also da.«
»Ja. Jetzt bin ich da.« Und er war froh darüber. »Bin ich überhaupt willkommen?«
Jessica lachte zittrig. »Willkommen? Du dummer Kerl, du bist hier daheim.«
»Dann darf ich wohl um eine angemessene Begrüßung bitten«, sagte er scherzhaft. »Tränen waren nicht so ganz das, was ich erwartet hatte.«
Jessica gönnte ihm eine vorsichtige, schwesterliche Umarmung.
Weitere Kostenlose Bücher