In den Armen des Fremden
Pappbecher. Kitty füllte einen davon und spülte sich den Mund.
Nachdem sie das Wasser so elegant wie möglich ausgespuckt hatte, sagte sie: „Das ist mir jetzt sehr peinlich. Ich habe mich noch nie in einer öffentlichen Toilette übergeben.“
„Denken Sie sich nichts dabei, meine Liebe. Alle Frauen machen das durch.“
Verwirrt zog Kitty die Augenbrauen hoch.
„Natürlich nicht alle. Aber als ich mit meinem zweiten Sohn, Jake, schwanger war, konnte ich auch nichts bei mir behalten.“
„Oh, ich bin aber nicht … Ich habe momentan nur sehr viel Stress.“
„So nennt man das heute?“ Die Frau schmunzelte.
Ich bin nicht schwanger, wollte Kitty sagen, doch sie brachte kein Wort heraus. Einen Moment lang wurde ihr schwarz vor Augen, und sie hielt sich am Waschbecken fest. Ihr Spiegelbild wirkte blass, ängstlich und entsetzt.
Was, wenn doch?
Es konnte nicht sein.
Und doch, zurzeit geschah so viel Unvorhergesehenes … Sie war dabei, Biedermann’s zu verlieren … Nicht nur, dass Ford ungebeten wieder in ihr Leben getreten war – er übernahm auch noch ihr Geschäft! … Um das Maß vollzumachen, würde eine Schwangerschaft passen – wie die Faust aufs Auge!
Ford stand im großen Ballsaal des Hotel Pierre und blickte sich suchend um – bis er begriff, dass Kitty nicht mehr da war. Sie hatte ihn auf der Tanzfläche stehen lassen, war ins Bad gegangen und hatte danach offenbar unbemerkt die Veranstaltung verlassen.
So unangenehm Ford diese Vorstellung war, genau so musste es gewesen sein. Kitty war nirgends zu sehen. Inzwischen hatte er lange genug gewartet, zum T…!
Wahrscheinlich bin ich selbst schuld, überlegte Ford. Eigentlich war das ja gar kein richtiges Date. Schließlich habe ich sie dazu gedrängt, mich mitzunehmen. Wie hatte sie es genannt? Nötigung …
Auf jeden Fall würde er sie so nicht gehen lassen.
Eine Dreiviertelstunde später stand er mit einem Strauß Orchideen vor ihrer Tür.
Kitty trug jetzt kein Make-up mehr, nur noch einen ziemlich grellen pinkfarbenen Lippenstift. Ihre Wangen wirkten rosig, und die Haare sahen verstrubbelt aus, so als wäre sie mit den Fingern durchgefahren.
Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt einen langen Seidenkimono mit einem Gürtel um die schlanke Taille – was ihr mehr denn je das Aussehen eines Vamps aus einem alten Gangsterfilm verlieh. Auch ohne großartige Aufmachung verströmte sie einen Hauch von Luxus. Man sah ihr an, dass sie schon als Kind in Geld geschwommen war.
Misstrauisch fragte sie: „Wofür sind die Blumen?“
Da sie nicht auf die Idee kam, ihn hereinzubitten, schob er sich an ihr vorbei in die Wohnung. „Mit ihnen bin ich ohne Probleme ins Haus gekommen. Einer deiner Wohnungsnachbarn war gerade am Gehen. Ich habe ihm gesagt, dass ich mich für eine missglückte Verabredung entschuldigen will, und so hat er mich hereingelassen.“
„Das hat er dir geglaubt?“
„Na ja, du kennst mich doch. Ich kann sehr überzeugend sein.“
Nach einem Moment der Unentschlossenheit machte sie die Wohnungstür hinter Ford zu. „Das wird nicht wieder vorkommen. Sobald ich weiß, wer das war, rede ich ein ernstes Wörtchen mit ihm.“
„Ach, komm schon, lass ihn doch! In Wirklichkeit bist du doch wütend auf mich. Er kann überhaupt nichts dafür.“ Während Kitty sich fürs Erste geschlagen gab, sah Ford sich in dem Apartment um. Vom Wohnzimmer aus ging er mit den Blumen in die kleine Küche und rief: „Hast du eine Vase?“
„Ich dachte, die Blumen sind nur als Ausrede gedacht?“
„Warum sollen wir uns nicht daran freuen? Weißt du eigentlich, wie schwer es ist, um Mitternacht Blumen zu besorgen?“
Er nahm eine reich verzierte Vase aus einem der Küchenschränkchen und füllte sie mit Wasser. Im Stillen erwartete er, dass Kitty etwas sagen würde. Bestimmt hatte sie einen bissigen Kommentar auf Lager …
Ihr Schweigen beunruhigte ihn. Irgendetwas stimmte nicht … Schnell stellte er den Strauß in die Vase und verließ die Küche. Ford fürchtete schon, dass sie sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen oder gar das Apartment verlassen hatte. Doch da sah er sie auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzen. Sie hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und vergrub das Gesicht in den Händen.
Ford erschrak. Er hoffte inständig, dass sie nicht weinte. Mit drei Schwestern und Patrice und Suz hatte er nun wirklich schon genug weinende Frauen um sich gehabt!
Wenn er etwas aus seinen Erfahrungen mit ihnen gelernt hatte, dann dass
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