In den Armen des Sizilianers
mehr als Ehepaar zusammenlebten, musste sie sich darauf gefasst machen, dass er versuchen würde, das Sorgerecht für Gino zu bekommen.
Im sanften Dämmerlicht des beginnenden Tages, das durch die Vorhänge ins Zimmer fiel, erbebte sie und zog die warme Decke fester um sich. Wie hatte sie nur so naiv sein können? Hatte sie wirklich gehofft, Vincenzo würde sich anständig verhalten und ihr entgegenkommen? Das tat er nur, wenn es ihm passte, wie sie am eigenen Leib erfahren hatte. In seiner Welt gab es nur schwarz oder weiß, dazwischen existierte für ihn nichts. Seiner Meinung nach waren Frauen entweder Flittchen oder Heilige, Geliebte und Gespielinnen oder Ehefrauen. Nichts und niemand würde ihn jemals dazu bewegen können, seine Meinung zu ändern.
Was hatte er jetzt vor? Während sie müde und erschöpft aufstand, versuchte sie, sich in ihren ihr so fremd gewordenen Mann hineinzuversetzen. Beabsichtigte er, sie als überforderte und unfähige Mutter hinzustellen? Würde er es gegen sie verwenden, dass sie ihn in London besucht hatte?
Sie zog die alten Jeans und ihren wärmsten Pullover an, wusch sich Gesicht und Hände und ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen, ehe Gino wach wurde.
Er schlief heute länger als sonst. Doch statt die Gelegenheit zu nutzen und in Ruhe zu frühstücken, lief sie rastlos umher und beschäftigte sie sich mit allem Möglichen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und sie konnte sich auf nichts konzentrieren. Deshalb war sie froh, als Gino sich endlich bemerkbar machte und sie ihn auf den Arm nehmen und an sich drücken konnte.
Sie war gerade damit beschäftigt, eine Banane für sein Frühstück zu zerdrücken, als es läutete. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie weder geduscht noch die Haare gebürstet hatte. Aber das konnte sie nicht mehr ändern. Dann würde Vincenzo wenigstens nicht wieder glauben, sie wolle ihn verführen. Das Problem mit diesem Mann war, dass er selbst eine Beleidigung so verpackte, dass man ihm nicht lange böse sein konnte.
Ehe sie die Tür öffnete, setzte sie eine abweisende Miene auf – und war erstaunt, nicht Vincenzo, sondern Andrew vor sich zu sehen. Er hielt einen Karton Eier in der Hand und blickte sie reumütig an.
„Guten Morgen, Emma“, begrüßte er sie und reichte ihr die Packung. „Die wollte ich Ihnen bringen. Mein Nachbar hatte sie übrig. Sie können sie sicher gebrauchen, oder?“
Sie blinzelte. „Oh, danke, Andrew. Das ist nett von Ihnen.“
„Kann ich kurz hereinkommen?“, fragte er seltsam verlegen.
Unauffällig warf sie einen Blick auf die Uhr. Es war erst halb neun, Vincenzo würde sicher noch nicht kommen. Selbst wenn er früher eintraf als vereinbart, konnte es ihr egal sein, denn sie lebten schließlich getrennt, und sie war ihm keine Rechenschaft schuldig. Seine altmodischen Ansichten interessierten sie nicht mehr. Schließlich konnte sie leben, wie sie wollte.
„Natürlich“, erwiderte sie betont munter. „Ich wollte nur gerade Gino Frühstück machen. Möchten Sie vielleicht schon mal Wasser für den Tee aufsetzen?“
„Ja, mache ich.“ Nachdem er den Kocher eingeschaltet hatte, drehte er sich zu ihr um und trat von einem Fuß auf den anderen. „Es tut mir leid, dass ich eine Mieterhöhung verlangt habe. Ich weiß doch, dass Sie nicht so viel bezahlen können. Lassen Sie uns das Thema vergessen, okay?“
„Wie soll ich denn das verstehen?“ Sie sah ihn verblüfft an.
„Na ja, immerhin sind Sie eine zuverlässige Mieterin.“ Er zuckte die Schultern. „Das Cottage ist in einem miserablen Zustand. Zahlen Sie einfach weiterhin den gleichen Betrag wie bisher, Emma.“
Auf ihrem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, während sie den Tee aufgoss und Andrew dann eine Tasse reichte. Dann setzte sie sich hin und fing an, Gino zu füttern. Wenn er mir das früher mitgeteilt hätte, hätte ich mir die Fahrt nach London sparen können und Vincenzo nicht um die Scheidung zu bitten brauchen, dachte sie.
Doch stimmte das wirklich? Früher oder später hätte sie mit ihrem Mann reden müssen. Die angekündigte Mieterhöhung hatte es nur beschleunigt. Sie hätte nicht jahrelang den Kopf in den Sand stecken können, eines Tages hätte Gino seinen Vater kennenlernen wollen, und spätestens dann hätte sie handeln müssen.
Andrews Rückzieher machte es ihr jedoch leichter, und sie konnte jetzt in Ruhe überlegen, wie es weitergehen sollte.
„Das ist lieb von Ihnen, Andrew, ich weiß es zu
Weitere Kostenlose Bücher