In den Armen des Spions
zu sein ... aber dann erkannte sie, dass das ja im Grunde genommen in diesem Moment auf sie zutraf, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen.
Der Bey wurde langsamer, runzelte leicht die Stirn und sah sie an.
»Ich erinnere mich nicht mehr - ist es üblich, eine Frau anderen männlichen Gästen vorzustellen?«
Gareth nickte, und Emily antwortete fest:
»Ja, selbstverständlich.« Die Gruppe vor ihnen bestand nur aus Männern. Sie sah die Frauen an. »Genau genommen ist es üblicherweise der Fall, dass Männer und Frauen sich von jetzt an - das Zusammentreffen vor dem Essen im Salon und dann weiter während des Dinners - mischen und miteinander unterhalten. Am Ende der Mahlzeit lassen die Damen die Herren allein am Tisch zurück, damit diese ungestört ihren Portwein oder andere Spirituosen trinken können. Die weiblichen Gäste ziehen sich mit der Gastgeberin in den Empfangssalon zurück und bleiben eine Weile unter sich. Dann stoßen die Herren wieder zu den Damen, und alle bleiben zusammen, bis die Gesellschaft vorüber ist.«
Immer noch leicht stirnrunzelnd nickte der Bey entschlossen.
»Das müssen wir unbedingt üben.«
So kam es, dass Emily die Rolle der gesellschaftlichen Dirigentin des Abends übernahm. Unter ihrer Anleitung und Führung, bekräftigt durch die Autorität und das Beispiel des Beys, begaben sich die Männer, nur anfangs noch recht steif, zu ihren Frauen. Glücklicherweise waren die Frauen imstande, sich schneller umzustellen, sodass sich eine angeregte Unterhaltung entspann.
Die Anwesenden in die richtige Reihenfolge für das Dinner zu bringen, erwies sich als echte Herausforderung und Geduldsprobe. Vor allem die Begum, eine üppige schwarzhaarige und rehäugige Schönheit mit vollen weiblichen Rundungen, von denen die meisten kaum verborgen waren von den durchsichtigen Stoffen, die der weibliche Hofstaat des Beys zu bevorzugen schien, bereitete Schwierigkeiten. Sie schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben, dass sie als Gastgeberin auswählen durfte, wer neben ihr saß, wobei ihre Wahl auf Gareth gefallen war. Emily musste sehr streng werden - und den Bey zu Hilfe holen - um sie von dieser Einstellung abzubringen und ihr vor Augen zu führen, dass sie als Gastgeberin überhaupt keine Wahl hatte. Sie musste den höchstrangigen ältesten Gast - was in diesem Fall der Wesir war - zu ihrer Rechten setzen, und den zweitmächtigsten, einer der Minister des Beys, zu ihrer Linken.
Die Begum schmollte den Großteil der Mahlzeit über, aber da sich Gareth und Emily als Gäste ohne echte Macht hier in der Mitte des Tisches einander gegenübersitzend wiederfanden, fiel es Emily leicht, das Schmollen der anderen zu ignorieren.
Zwar anfangs noch recht steif, dann aber immer ungezwungener blühte die Konversation bei Tisch förmlich auf, als die Männer entdeckten, dass die Frauen, die sie gewöhnlich ignorierten, wenn man ihnen die Gelegenheit gab, anregende Gesprächspartnerinnen waren.
Das Gegenteil, vermutete Emily, stimmte ebenfalls. Diese Frauen hatten bislang kaum zwei Worte mit den meisten der Männer gewechselt, die mit ihren Männern verkehrten.
Sie war insgesamt stolz auf das Erreichte. Und auf seinem Platz am einen Ende der Tafel lächelte der Bey zufrieden und erfreut.
Ihr genau gegenüber fing Gareth ihren Blick auf und hob mit einem Nicken sein Glas zu einem stummen Toast für sie.
Sie lächelte und neigte den Kopf, verspürte Freude und ein Erfolgsgefühl in sich aufwallen und miteinander verschmelzen.
Kurze Zeit später, als das letzte Geschirr abgeräumt wurde, fing sie den missgünstigen Blick der Begum auf. Davon unbeeindruckt, gab sie der Hausherrin mit Handzeichen zu verstehen, wie sie die Tafel aufheben und die Damen auffordern sollte, sie in den Empfangssalon zu begleiten. Die Begum raffte sich auf und bekundete Interesse und erfüllte die Aufgabe unter den wohlwollenden Augen ihres Ehemannes souverän.
Als sie ihr aus dem Zimmer folgte, entschied Emily, dass, so seltsam es auch war, sie den Abend mit ein wenig Glück gut überstehen würden.
Am Ende des Abends bestand der Bey darauf, dass der Hauptmann sie zum Gasthaus zurückbegleitete. Als sie das Tor in der Mauer erreichten, drehte Gareth sich um. Der Hauptmann verbeugte sich respektvoll.
»Der Bey ist hochzufrieden.« Der Anführer der Wache richtete sich wieder auf und deutete auf zwei Gestalten, die in den Schatten standen, einer an jedem Ende der Straße. »Während des Restes Ihres Aufenthaltes hier werden
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