In den eisigen Tod
Weisungen bezüglich der Schlittenhunde erneut über den Haufen geworfen. Meares sollte nunmehr die Hundegespanne hinausführen und gegen Mitte Februar zwischen 82 und 83 Grad südlicher Breite auf die Rückkehrergruppe stoßen, damit sie rechtzeitig zur Terra Nova gelangen könnten. Es ist fraglich, ob dies sinnvoll war, denn Scott irrte, als er annahm, dass Evans diese Botschaft noch rechtzeitig übermitteln würde. Scott hatte vorhergesagt, dass Evans rasch zurückkehren würde, aber er hatte die Lage vollkommen falsch eingeschätzt. Er war, wie die meisten Expeditionsteilnehmer, in dem Irrtum befangen, dass der Rückweg leichter sein müsse als die Hinreise.
Scott war jetzt guter Dinge. Er war mit Männern zusammen, die er mochte und denen er vertraute; es hatte keine ernsthaften Pannen gegeben, und der Pol schien in Reichweite zu liegen. »Was für Luftschlösser baut man jetzt, da der Pol hoffentlich uns gehört«, frohlockte er. Doch die Keime der kommenden Katastrophe wuchsen bereits. Wie Cherry-Garrard später schrieb: »Wir hören, dass die Schwierigkeiten begannen, unmittelbar nachdem die letzte Hilfstruppe sie verließ ... Von diesem Zeitpunkt an ging alles schief.« 11 Edgar Evans’ Hand, die er sich beim Umbau der Schlitten verletzt hatte, wollte nicht heilen, was zweifellos auf den Vitaminmangel zurückzuführen war, und Wilson musste die Wunde täglich neu verbinden. Bowers war erschöpft, weil er zu Fuß marschieren musste, und bemerkte in seinem Tagebuch, es sei für ihn »anstrengender als für die anderen«. Eine Tatsache, die Scott voll anerkannte.
Oates machte sich insgeheim Sorgen um den Zustand seiner Füße und seiner alten Kriegsverletzung – eine Tatsache, die er als Offizier und Gentleman seiner Zeit ungern zugeben wollte. Das Problem wurde durch unzureichende Nahrung verschärft. Zu den Symptomen des Skorbut gehört, dass das vernarbte Gewebe alter Wunden sich auflöst und diese wieder aufbrechen, und es ist möglich, dass die Gruppe bereits unter Skorbut im Anfangsstadium litt. Die Rationen, die die Männer seit über 100 Tagen zu sich nahmen, bestanden aus 455 Gramm eines Spezialzwiebacks, 16 Gramm Kakao, 340 Gramm Pemmikan, 57 Gramm Butter, 85 Gramm Zucker und circa 20 Gramm Tee. Dies ergab zusammen aber nur etwa 4500 Kalorien, über 6000 Kalorien verbrannten sie jedoch; deshalb bahnte sich auch ihr Hungertod an.
Was die praktische Seite anbelangt, so erkannte Scott schnell, dass es schwieriger war, für fünf Personen zu kochen als für vier. Schon am Tag nach der Trennung von Evans und dem Hilfstrupp schrieb er: »Kochen für fünf dauert eindeutig länger, als wenn man für vier kocht, vielleicht macht es eine halbe Stunde pro Tag aus. Das ist ein Punkt, den ich bei der Neuorganisation nicht bedacht hatte.« Es verbrauchte auch mehr Brennstoff. Hinzu kam das, worauf Cherry-Garrard in The Worst Journey in the World hinwies: »Die Lebensmittelvorräte für vier Mann sollten fünfeinhalb Wochen reichen; fünf Personen würden die gleiche Menge in etwa vier Wochen aufzehren.« Die Tatsache, dass es einen fünften Mann gab, hatte erhebliche Unannehmlichkeiten zur Folge. Die nach Art eines Wigwams gebauten Zelte waren an der höchsten Stelle etwas über zwei Meter hoch, und so konnte kaum mehr als eine Person darin aufrecht stehen. Diese Zelte waren für vier Menschen konzipiert; deshalb mussten jetzt die Schlafsäcke der beiden außen schlafenden Männer zum Teil bis über den Rand der separaten Zeltunterlage hinaus (das Zelt hatte keinen eingenähten Boden), ja wahrscheinlich sogar auf Schnee liegen. Die extreme Enge, die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und die während der Schneestürme langen Perioden des Eingesperrtseins müssen strapaziös gewesen sein.
Auch das Gehen wurde zunehmend beschwerlicher, denn der Boden war schwer. Für Männer, die bereits dadurch erschöpft waren, dass sie die Schlitten den Beardmore-Gletscher hinaufgezogen hatten, war es eine Schinderei. Mit großer Genugtuung ließen sie am 6. Januar Shackletons südlichstes Lager hinter sich, aber Scott machte sich zunehmend Sorgen über das schwierige Gelände: »Die Wechselfälle dieser Arbeit sind verblüffend«, schrieb er. Sie befanden sich auf den Sastrugi, »einem Meer von Angelhaken-Wellen«, von denen einige mit scharfen Kristallen bewehrt waren. Dadurch war das Vorankommen auf Skiern nahezu unmöglich, und Scott beschloss, die Skier liegenzulassen. Doch nachdem sie fast zwei Kilometer zu Fuß
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