In den eisigen Tod
weiteren Entbehrungen riskieren sollte«. Koettlitz scheint sich über Shackletons Verfassung nicht ganz im klaren gewesen zu sein, und Armitage behauptete später, der Arzt habe geglaubt, Shackleton hätte genauso gut bleiben können wie Scott. Er behauptete auch, Scott habe gedroht, dass er, »wenn er nicht als Kranker, dann in Ungnade zurückkehren werde«. 12 Doch dies waren spätere Beschuldigungen eines verbitterten Mannes, der in seiner Karriere nicht vorangekommen war und dessen Frau, »ein Teufelsweib«, wie Skelton sie nannte, ihn finanziell ruiniert hatte.
Am 2. März stach die Morning mit Kurs auf das neuseeländische Lyttelton in See. Shackleton war auf Deck, offensichtlich mit Tränen in den Augen, während die kleinen Gestalten, die vom Eis aus winkten, langsam entschwanden. Dies war für die Zukunft der drei Männer, die gemeinsam nach Süden gereist waren, ein Augenblick von entscheidender Bedeutung. Ganz im Geist seiner Zeit schrieb Scott: »Wenn wir auch nicht so große Erfolge erzielt hatten, wie wir einmal erhofften, wussten wir zumindest, dass wir uns mit aller Kraft bemüht und durchgehalten hatten.« Immerhin, sie hatten ungefähr 550 Kilometer bisher unbekannter Küste vermessen, neue Erkenntnisse über das Ross-Schelfeis gesammelt und die Bühne für die Suche nach dem Südpol bereitet, auch wenn sie ihre eigenen Erwartungen und die anderer nicht erfüllt hatten.
Kapitel 6
Endlich bricht das Eis
Während die Luft sich abkühlte und die Dunkelheit des Winters wiederkehrte, dachte Scott über das Gelernte nach. Aufgrund seiner Erfahrungen hatte er eine neue Selbstsicherheit gewonnen. In vielerlei Hinsicht war die Exkursion nach Süden eine Offenbarung gewesen, die ihm gezeigt hatte, dass er die geistige und körperliche Kraft besaß, eine Expedition zu leiten, und sie hatte ihm geholfen, seine ständigen Selbstzweifel zu überwinden. Das verträumte, schmalbrüstige Kind hatte sich in eine harte, entschlossene Führungspersönlichkeit verwandelt. Er war daher immer noch optimistischer Stimmung, als einige Monate später die neue Saison der Schlittenreisen begann, und seine Begeisterung übertrug sich auf die übrigen Mitglieder der Expedition. »Vom Gelächter und der Aufregung her zu urteilen, könnten wir kleine Jungen sein, die aus der Schule ausgerissen sind«, schrieb er. Der Winter war ganz ähnlich verlaufen wie der des Vorjahres. So hatte sich etwa Michael Barne, ein großer Witzbold, allerhand Streiche einfallen lassen, zum Beispiel, sich einen Pelz überzuziehen, den nervösen Koettlitz anzuspringen und dabei so zu tun, als sei er ein Bär. Andere hatten ihre Tagebücher und wissenschaftlichen Notizen ausgearbeitet und Spiele veranstaltet, und es waren auch weitere Ausgaben der South Polar Times erschienen.
Scott war entschlossen, die Technik des Schlittenfahrens zu verbessern, und er führte die Methode mit Nachschubtrupps ein, die er auf dem Weg zum Pol einsetzen würde. Das hieß, eine große Gruppe zusammenzustellen und entlang der Route Männer abzusetzen und so den vielen zu ermöglichen, für die wenigen Vorräte zu transportieren und einzulagern. Ein Dutzend Männer verließ am 12. Oktober 1903 die Discovery – einmal ein Voraustrupp, bestehend aus sechs Männern, einschließlich Scott, Evans und Lashly, und dann zwei andere Dreiergruppen; Hunde waren nicht dabei. Geplant war, in westlicher Richtung zu forschen und das Innere von Victoria Land zu erkunden, das Armitage im Jahr zuvor gestreift hatte. Die geologischen Proben, die er mitgebracht hatte, ließen den Schluss zu, dass diese Gegend von erheblichem wissenschaftlichen Interesse war. Scott, der sich der Kritik der Herren von der Royal Society bewusst war, wollte den Beweis liefern, dass eine von einem Marineoffizier geleitete Expedition auf wissenschaftlichem Gebiet genauso viel leisten könne wie eine, die von einem Wissenschaftler angeführt wurde.
Es gab einen Fehlstart, bei dem drei ihrer vier Schlitten beschädigt wurden. Die aus Neusilber hergestellten Kufen waren zerbrochen und das Holz darunter so tief eingekerbt, dass sie zur Discovery zurückeilen mussten, um sie dort zu reparieren. Am 26. Oktober brach die Gruppe erneut auf, doch dieses Mal waren es nur noch neun Mann. Scott, der weiterhin aus mühsamer Erfahrung dazulernte, war entsetzt, als er feststellte, dass der Deckel der Instrumentenkiste auf dem einen heilen Schlitten, den sie abgesetzt und zurückgelassen hatten, bei einem Sturm aufgedrückt
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