In den Fängen der Macht
ungern mit Hester allein gewesen. Er war überrascht, wie wenig Zutrauen er zu seinen eigenen Gefühlen hatte.
Monk schien ihn fast erwartet zu haben, und in seinem hageren Gesicht breitete sich der Ausdruck der Befriedigung aus, als Rathbone eintrat.
Monk bedeutete Rathbone, Platz zu nehmen. Hester befand sich nicht im Zimmer. Vielleicht kümmerte sie sich gerade um häusliche Pflichten. Er fragte nicht.
»Ich habe ihre Geschichte gehört.« Rathbone legte elegant ein Bein über das andere und lehnte sich zurück, als ob er vollkommen entspannt wäre. Er war ein brillanter Barrister, was bedeutete, dass er sich klar auszudrücken verstand und schnell und logisch denken konnte.
Außerdem war er ein guter Schauspieler. Er hätte sich auch selbst mit diesen Attributen, insbesondere mit letzterem, beschrieben. »Auch die von Breeland«, fügte er hinzu.
»Ich halte es für wahrscheinlicher, dass die Geschichten wahr sind, als das Gegenteil, aber natürlich brauchen wir Beweise.«
»Sie glauben es also«, sagte Monk nachdenklich. Es war unmöglich, seinem Gesichtsausdruck zu entnehmen, was er dachte. Rathbone hätte es gerne gewusst, aber er wollte nicht fragen, noch nicht.
»Merrit beschrieb mir die Zugfahrt nach Liverpool sehr detailliert«, erklärte Rathbone und erwähnte die Frau mit dem Hut. »Breeland gab mir mehr oder weniger dieselbe Beschreibung. Das ist kein Beweis, aber es deutet doch darauf hin, dass es die Wahrheit ist. Vielleicht können Sie sogar jemanden finden, der mit demselben Zug reiste und die beiden gesehen hat. Das wäre ein Beweis.«
Monk nagte an seiner Unterlippe. »Ja, das wäre es«, gab er zu.
»Aber wer brachte dann Alberton um? Was aber noch sonderbarer ist: Wie kamen die Waffen vom Fluss bei Bugsby’s Marshes zum Bahnhof am Euston Square?«
Rathbone lächelte leicht. »Um das herauszufinden, beschäftige ich Sie. Es scheint da noch einige grundlegende Fakten zu geben, die uns noch unbekannt sind. Vielleicht hat das auch mit diesem Unterhändler Shearer zu tun. Und da wäre noch die höchst unangenehme Möglichkeit, dass Alberton selbst einer Art von Täuschungsmanöver unterlag und Shearer doppeltes Spiel trieb, oder gar Breeland.«
Ein Funke von Amüsement leuchtete in Monks Augen auf.
»Ich nehme an, Sie haben Breeland nicht sonderlich ins Herz geschlossen.« Er sagte es mehr im Ton einer Beobachtung als einer Frage.
Rathbone hob die Augenbrauen. »Überrascht Sie das?«
»Nicht im Mindesten. Es gibt vieles, was ich an ihm bewundere, aber ich kann mich nicht dazu überwinden, ihn zu mögen«, erwiderte Monk.
»Wissen Sie, er fragte nicht einmal, wie es Merrit ginge.« Rathbone vernahm den Zorn und die Bestürzung in seiner eigenen Stimme. »Außer seinen verdammten Überzeugungen scheint ihm nichts wichtig zu sein!«
»Sklaverei ist ja auch reichlich abstoßend.«
»Das sind viele Dinge, und viele davon entspringen Besessenheit.« Rathbones Stimme zitterte plötzlich vor Wut. »Und einer Unfähigkeit, nichts außer dem eigenen Standpunkt zu sehen oder mit dem Schmerz einer anderen Person mitzufühlen, wenn er sich auf irgendeine Weise von dem eigenen unterscheidet.«
Monks Augen wurden groß. »Sie haben absolut Recht«, sagte er mit tief empfundener Ernsthaftigkeit. »Ja… Lyman Breeland ist ein sehr gefährlicher Mann. Ich wünschte, verdammt noch mal, wir müssten ihn nicht verteidigen, um Merrit verteidigen zu können.«
»Ich sehe keine Alternative, andernfalls, glauben Sie mir, hätte ich sie gewählt«, versicherte Rathbone.
»Ermitteln Sie gründlich. Ich glaube nicht, dass Merrit sich einer Sache schuldig machte, außer, sich in einen kaltherzigen und fanatischen Mann zu verlieben. Sehen Sie sich Philo Trace sehr genau an und diesen Unterhändler Shearer, und untersuchen Sie alles, was Sie für zweckdienlich halten.«
»Wie immer eilt es Ihnen natürlich damit.«
»Exakt.« Rathbone sprang auf die Beine. »Tun Sie Ihr Möglichstes, Monk. Für Merrit Alberton und ihre Mutter.«
»Aber nicht für Breeland…«
»Breeland kümmert mich einen feuchten Kehricht. Finden Sie die Wahrheit.«
Monk begleitete Rathbone zur Tür; sein Gesicht war bereits von Gedanken zerfurcht. »In der Sache liegt eine nette Ironie, finden Sie nicht?«, bemerkte er. »Ich hoffe inständigst, dass es nicht Philo Trace war, denn ich mag ihn ganz gern.«
Rathbone antwortete nicht. Sie waren sich beide nur zu bewusst, dass es in der Vergangenheit Männer gegeben hatte, die sie
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