In den Fängen der Macht
hierher verfolgt, und sogar ein Blinder kann sehen, dass Sie denken, er hätte was Wertvolles geladen gehabt, was Gestohlenes.«
Monk wurde ungeduldig.
»Haben Sie sich nicht erkundigt, was aus dem Prahm geworden ist?«, fragte der Fährmann kopfschüttelnd.
»Erkundigt…« Dann traf es Monk fast wie ein körperlicher Schlag. Er hatte die Spur des Kahns bis zu Bugsby’s Marshes verfolgt, aber er hatte sich auf Breeland und die Waffen konzentriert. Er hatte nicht daran gedacht, dass der Prahm den Fluss wieder hinaufgefahren sein könnte, bis zu einer bestimmten Stelle, wo immer die auch sein mochte!
Das könnte ihm den Beweis für Shearers Komplizenschaft liefern, und wenn es ihm auch nicht gelingen würde, dadurch den momentanen Aufenthaltsort von Shearer festzustellen, so doch, wohin er nach den Morden gegangen war. Monk hätte sich selbst ohrfeigen können, dass er nicht sofort daran gedacht hatte. Auch Lanyon schien nicht auf diese Idee gekommen zu sein. Sie waren beide so überzeugt davon gewesen, dass das Wichtigste sei, Breeland zu fassen, dass ihnen das Boot unwichtig gewesen war.
Aber nun war es wichtig geworden.
»Ja«, sagte er zerknirscht. Es ärgerte ihn, sich das Naheliegende von einem Fährmann sagen lassen zu müssen, dessen Aufgabe es war, Kähne zu rudern und etwas von den Gezeiten zu verstehen. »Ja, ich werde den Weg des Prahms flussaufwärts verfolgen. Vielen Dank.«
Der Fährmann grinste, schob sich die Kappe auf den Hinterkopf, griff wieder nach den Rudern und entfernte sich.
Doch obwohl Monk den restlichen Abend bis zur Dämmerung und den ganzen folgenden Tag damit verbrachte, die Spur des Kahns flussaufwärts zu verfolgen, fand er ihn nicht. Auch die Flusspolizei wusste nichts von einem fehlenden oder gestohlenen Prahm.
»So was passiert schon mal«, erklärte ihm ein zahnlückiger Sergeant, der auf einem Pier in der Sonne stand, an dessen Pfählen die Flut leckte. »Vielleicht ist er jemandem gestohlen worden, der ihn selbst geklaut hat. Vielleicht ist er ja auch zurückgebracht worden, bevor jemand gemerkt hat, dass er abhanden gekommen war?«
»Vielleicht gehörte er ja auch dem, der ihn benutzte«, fügte Monk hinzu. »Die Leute wurden möglicherweise für ihr Schweigen gut bezahlt.«
»Könnte sein«, stimmte der Sergeant missmutig zu. »Ich glaube, das werden Sie nie herausfinden. Tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann. Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, wo Sie anfangen sollen. Es gibt Hunderte von Lagerhäusern und Docks den Fluss entlang, und Massen von Männern würden jedem einen Gefallen tun und den Mund halten, wenn Sie sie nur gut bezahlten.«
Monk ließ den Blick über das geschäftige Treiben auf dem Fluss schweifen. Die Schleppkähne waren mit Gütern aus aller Welt beladen, trugen alles von Holz, Kohle und Maschinen bis zu Seidenstoffen, Gewürzen und exotischen Pelzen mit sich, vielleicht auch Baumwolle der konföderierten Staaten, mit der man die Mühlen in Manchester und im Norden füttern würde, und Tabak für die Zigarren der Gentlemen in Mayfair und Whitehall.
Ein Vergnügungsboot fuhr vorbei, an Deck standen dicht gedrängt Menschen, die zum Schutz gegen die Sonne Strohhüte trugen und mit bunten Schals und Taschentüchern winkten. Von irgendwoher ertönten die Klänge einer Drehleier. Die Luft roch nach Salz und Fisch und einem Hauch von Teer.
»Kennen Sie einen Unterhändler namens Shearer?«, fragte Monk.
Der Sergeant dachte einige Augenblicke lang nach.
»Großer Kerl, dürr, lange Nase und eine Menge Zähne?«, fragte er. »Der vornübergebeugt geht?«
»Ich weiß eigentlich nicht, wie er aussieht. Ich kenne ihn nicht.«
Er hatte Judith Alberton nicht um eine Beschreibung des Mannes gebeten. »Er arbeitete in der Tooley Street für Daniel Alberton.«
»Das muss er sein. Gerissener Bursche. Der ist schnell dabei, wenn er sich einen Vorteil verspricht.«
»Kennen Sie ihn von Berufs wegen?«
»Sie meinen, ob er kriminell ist? Nein. Dazu ist der zu gewieft, außerdem hat der’s nicht nötig, soweit ich das beurteilen kann. Hab den Fluss auf und ab nur immer mal wieder von ihm gehört.«
»Wissen Sie sonst noch etwas über ihn?«, drang Monk in ihn.
»Wissen Sie vielleicht, woher er stammt? Und ob er irgendwelche politischen Ziele verfolgt?«
»Politische Ziele?« Der Sergeant wirkte erschrocken.
»Welche, zum Beispiel? Anarchistische oder so was? Hab nie gehört, dass er gefährlich ist, außer wenn man ihn geldmäßig über’s Ohr
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