In den Fängen der Macht
auf dem Gewissen hat. Und Merrit wäre nur insoweit schuldig, als sie sich von ihrem Herzen hat leiten lassen und ihren Verstand ignorierte? Ich nehme an, im Alter von sechzehn Jahren ist das fast zu erwarten.« Er zuckte die Achseln. »Und außerdem, würde eine Frau nicht alles tun, um ihrem Geliebten zur Seite zu stehen, wären wir nur allzu schnell bereit, an ihr Kritik zu üben.«
»Vermutlich«, stimmte Monk zu, obwohl er sich insgeheim fragte, wie viel blinde Bewunderung er vertragen könnte. Hätte er die Bewunderung mit derselben Missachtung ausgenützt wie Breeland? Vielleicht wurde etwas, was so freizügig gegeben wurde, häufig gering geschätzt. Aber die Tatsache, dass er selbst möglicherweise nicht besser gewesen wäre, milderte seine Abneigung gegen Breeland keineswegs; wenn überhaupt, steigerte sie sie nur noch.
»Werden Sie dem nachgehen?«, erkundigte sich Lanyon neugierig.
»Ich werde allem nachgehen«, erwiderte Monk. »Außer natürlich, ich stoße auf etwas derartig Überzeugendes, dass es überflüssig wird.« Er grinste Lanyon breit an, aber es war selbstironisch gemeint, und sie wussten es beide. Lanyon zuckte die Achseln. »Na dann, viel Glück.« Es klang, als ob er es ehrlich meinte.
Monk begann dort, wo alles seinen Anfang genommen hatte – im Lagerhaus, dann verfolgte er die Spur der Wagen. Lebhaft erinnerte er sich daran, wie er an jenem fahlen Sommermorgen in den umzäunten Hof getreten war und die toten Körper in ihren grotesken Stellungen gesehen hatte. Er erinnerte sich an Casbolts Gesicht im Morgenlicht, an den Geruch von Blut und die Spuren der Wagenräder auf dem Steinpflaster.
Auch Manassas und die grausame Realität des Krieges tauchten aus der Erinnerung auf. Es war der Geruch des Blutes, der sich in seinen Kopf eingebrannt hatte. Was waren drei Morde verglichen mit so vielen Toten? Sah Breeland die Morde etwa in diesem Licht? Sah er sie nicht als Morde, sondern als Teil des Krieges? Betrachtete er ein paar Tote als geringen Preis, um das Ende der Versklavung einer gesamten Rasse zu sichern?
Das könnte als Argument geltend gemacht werden, und Monk konnte es sogar verstehen.
Gewiss, Lyman Breeland ignorierte den Einzelnen und sah lediglich die vielen Tausende, die Zehntausende. Und irgendetwas an Breeland stieß Monk ab. Machte Breeland das zu einem schlechteren Menschen oder nur moralisch tapferer, machte ihn das zu einem größeren Visionär und gleichzeitig zu einem weniger gewöhnlichen, weniger beschränkten Menschen?
Monk stand in der Sonne in der Tooley Street und wog die Möglichkeiten gegeneinander ab. Die Wagen waren durch die Tore hinausgefahren und mussten entweder nach rechts oder nach links gefahren sein. Die Waffen waren zu schwer, um mit etwas anderem als mit von Pferden gezogenen Gefährten und mit Kähnen über den Fluss transportiert worden zu sein. Der Fluss war jedenfalls der nächstliegende Transportweg. Auf diesem Weg hatte Alberton normalerweise sämtliche schweren Güter transportiert, ebenso wie alle anderen Händler.
Aber Breeland war Amerikaner. Vielleicht wusste er das nicht? Könnte er die Straße zum Bahnhof am Euston Square gewählt haben? Seither war mehr als ein Monat vergangen. Es würde schwer sein, Zeugen zu finden, die sich an etwas erinnerten, geschweige denn gewillt waren, als Zeuge vor Gericht aufzutreten.
Könnte Breelands Geschichte wahr sein? Hier würde er beginnen müssen. Wagen, die mit sechstausend Gewehren beladen waren, mussten riesig sein, und sie mussten jemandem aufgefallen sein, als sie mitten in der Nacht über die Straßen rumpelten.
Aber die Sache mit der zeitlichen Abfolge war eine ganz andere Frage. Breeland hatte gesagt, die Depesche sei um Mitternacht überbracht worden. Zu dem Zeitpunkt war Alberton noch am Leben gewesen. Dem medizinischen Gutachten und der vernünftigen Schlussfolgerung zufolge, die sich aus dem Zeitraum ergab, den das Verladen der Waffen in Anspruch genommen haben musste, war er gegen drei Uhr morgens getötet worden. Die Wagen mussten unmittelbar danach abgefahren sein. Wie lange würden sie gebraucht haben, so schwer beladen, über die verkehrsarmen Straßen der Nacht?
Er begann eilig zu marschieren, hielt dann eine Droschke an und dirigierte sie auf dem kürzesten Weg über die Brücke zum Euston Square, wobei seine Gedanken rasten. Selbst im Trab, den die schwer ziehenden Pferde nicht hätten durchhalten können, hätte er es nicht in weniger als einer halben oder einer
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