In den Fängen der Macht
Gesichtsausdruck gesehen haben, seine bemerkenswerten Augen. Vielleicht war sie in dieser Situation die Glücklichere, da sie sich hinter ihrem Schleier verbergen konnte und niemand wissen lassen musste, dass sie seine Gefühle erkannt hatte.
Der Augenblick war verstrichen, und mit Hester an ihrer Seite ging sie weiter. Rathbone machte sich auf den Weg, um irgendwo ein Mittagessen einzunehmen, obwohl er eigentlich wenig Appetit hatte.
Am späteren Nachmittag wurde die Verhandlung mit Lanyons Aussage fortgesetzt, der für die Polizei aussagte. In der umständlichen Ausdrucksweise der Beamten bestätigte er alles, was Casbolt gesagt hatte, und nachdem Deverill darauf bestand, bestätigte er zudem, dass Casbolt tatsächlich mit Freunden diniert und sich in ihrer Gesellschaft befunden hatte, bis zu einem späteren Zeitpunkt als dem, den man als Todeszeitpunkt von Alberton und den Wachen annahm.
Das war eigentlich überflüssig, Rathbone hatte Casbolt nie als möglichen Verdächtigen in Erwägung gezogen und glaubte auch nicht, dass dies jemand anderes getan hatte.
Deverill dankte Lanyon überschwänglich, als ob er eine wichtige Aussage gemacht hätte.
Rathbone freute sich, als er sah, dass mehrere Geschworene ratlos wirkten.
»Fanden Sie am Tatort irgendetwas Bemerkenswertes, das auf die Identität einer der anwesenden Personen gedeutet hätte, außer der der Opfer natürlich?«, fragte Deverill.
»Ja«, erwiderte Lanyon unglücklich. »Eine goldene Herrenuhr.«
»Wo fanden Sie diese?«
Die Geschworenen zeigten wenig Interesse. Diesen Umstand kannten sie bereits, und ihr Abscheu war offensichtlich. Einige von ihnen sahen zu Breeland hoch. Der ignorierte sie, als ob er sich ihrer Gegenwart nicht bewusst wäre. Rathbone hatte schon unschuldige Menschen mit derselben krassen Gleichgültigkeit erlebt, die sie in der Sicherheit gezeigt hatten, das Verbrechen, von dem gesprochen wurde, habe nichts mit ihnen zu tun. Aber er hatte auch schon Schuldige erlebt, die keinerlei Einsicht gezeigt hatten, dass das, was sie getan hatten, abstoßend war. Sie spürten keinen Schmerz außer ihrem eigenen.
Merrit reagierte vollkommen anders. Sie war blass, zitterte, und es kostete sie ganz offensichtlich Mühe, wenigstens den Anschein von Haltung zu bewahren. Casbolts Bericht vom Auffinden der Leichen hatte sie fast gelähmt. Lanyons weniger emotionaler Bericht von den im Wesentlichen gleichen Fakten war noch schlimmer für sie gewesen. Seine kontrollierte Stimme machte die Beschreibung nur noch realer. Doch auf seine Art war auch er schockiert. Es zeigte sich an der Schärfe seiner Worte, an der Art, wie er seine Augen niederschlug und weder zu Judith blickte, die wieder in der ersten Reihe saß, noch zu Merrit.
Deverill befragte Lanyon genauestens nach den Umständen des Auffindens der Uhr und wollte auch von ihm hören, welcher Name auf der Rückseite eingraviert war. Sodann fuhr er fort, Lanyon berichten zu lassen, dass er den Weg der Lastkarren vom Lagerhaushof zum Hayes Dock verfolgt hatte und von dort mit einem Prahm flussabwärts.
Um vier Uhr vertagte der Richter die Verhandlung auf den nächsten Tag.
Arn folgenden Morgen begann Deverill genau dort, wo er die Befragung tags zuvor abgebrochen hatte. Er brauchte den ganzen Vormittag, um Lanyon Detail für Detail zu befragen, bis dieser zugeben musste, die Spur bei Bugsby’s Marshes verloren zu haben. Äußerst großzügig bot Deverill an, jeden Kahnführer, Hafenarbeiter und Fährmann in den Zeugenstand zu rufen, der Lanyon die entsprechenden Beweise geliefert hatte.
Missmutig fragte der Richter Rathbone, ob er darauf bestehen würde, woraufhin dieser zur großen Erleichterung des Gerichtes verkündete, dass er verzichte. Er begnügte sich damit, zuzugestehen, dass alles, was Lanyon gesagt hatte, der Wahrheit entspräche.
Deverill wirkte gleichermaßen irritiert und erfreut, als ob sein Gegner unerwartet aufgegeben hätte.
»Sind Sie bei guter Gesundheit, Sir Oliver?«, fragte er mit übertriebener Besorgnis.
Auf den Besucherbänken wurde schwaches Gemurmel laut, das jedoch augenblicklich durch einen strafenden Blick des Richters zum Verstummen gebracht wurde.
»Ich bin bei bester Gesundheit, danke«, erwiderte Rathbone.
»Ich fühle mich wohl genug, um eine Flussfahrt bis zu Bugsby’s Marshes zu machen, wenn ich Lust dazu verspürte. Doch das ist nicht der Fall. Aber bitte, lassen Sie sich nicht aufhalten, wenn Sie das Gefühl haben, es würde Ihrer Sache
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