In den Fängen der Macht
dass auch Philo Trace sie beobachtete, und auch ihm standen die Gefühle offen ins Gesicht geschrieben. In dem Augenblick erkannte Rathbone, dass Trace Judith liebte, still und ohne eine Erwiderung seiner Gefühle zu erwarten. Er wusste es mit tiefstem Verständnis, denn er liebte Hester auf die gleiche Weise. Die Zeit, als sie seine Gefühle erwidert hatte, war vorüber. Vielleicht war es auch nur eine Illusion, dass dies je der Fall gewesen war.
Deverill hatte aus dem Schweigen gesogen, was er nur konnte. Er nahm seine Befragung wieder auf.
»Haben Sie bemerkt, dass Miss Alberton seine Aufmerksamkeiten erwiderte?«, fragte er.
»Sicherlich.« Casbolt räusperte sich. »Sie ist erst sechzehn Jahre alt. Ich glaubte, ihr Verliebtsein würde sich von selbst legen, sobald Breeland die Rückreise nach Amerika angetreten hatte.«
Instinktiv sah Rathbone zu Merrit hoch und bemerkte die Pein und den Trotz in ihrem Gesicht. Sie beugte sich nach vorn, als ob sie ihnen die Wahrheit mitteilen wollte, wie sehr sie Breeland tatsächlich liebte, aber sie durfte nicht sprechen.
Casbolt fuhr fort. »Er war Offizier der Armee.« Plötzlich bahnte sich die Wut ihren Weg, rauh und hart klang sie aus seiner Stimme. »Er war kurz davor, sich fünftausend Meilen von England entfernt in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Er befand sich keineswegs in einer Position, die es ihm erlaubt hätte, sich einer Frau zu erklären, geschweige denn einem Kind in Merrits Alter! Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass er das tun würde! Ich glaube auch nicht, dass ihrem Vater der Gedanke gekommen war. Und wenn Breeland diesen abwegigen Entschluss gefasst hatte, diese Unverschämtheit besessen haben sollte, das zu tun, hätte Daniel ihn selbstverständlich abgewiesen.«
Breeland rutschte unruhig auf der Anklagebank umher, aber auch er konnte sich noch nicht verteidigen.
»Wenn Breeland sie liebte«, fuhr Casbolt fort, »und ein ehrenwerter Mann gewesen wäre, hätte er gewartet, bis der Krieg vorüber wäre, und hätte dann angemessen um ihre Hand angehalten, wenn er sie unterhalten und für sie sorgen könnte, wie ein Mann das tun sollte. Wenn er ihr ein Heim hätte bieten können… und sie nicht inmitten von Fremden in einer belagerten Stadt hätte zurücklassen müssen, während er in eine Schlacht zog, aus der er vielleicht niemals oder verkrüppelt zurückkehren würde und nicht in der Lage wäre, für ihren Unterhalt Sorge zu tragen.« Er zitterte, während er sprach, hatte die Hände um die Brüstung geklammert, und sein Gesicht war weiß.
Er hatte nicht einen einzigen Umstand genannt, der Breeland mit dem Mord an Daniel Alberton in Verbindung gebracht hatte, aber er hatte ihn in den Augen jedes Anwesenden verdammt, und Deverill wusste das. Das zeigte sich auch in der selbstbewussten Haltung des Anklägers und in der samtigen Glätte seiner Stimme.
»Das ist richtig, Mr. Casbolt. Ich bin sicher, wir alle empfinden wie Sie und hätten wahrscheinlich keinen größeren Weitblick gehabt und die Tragödie ebenso wenig vorhergesehen. Niemand tadelt Sie, und außerdem ist man im Nachhinein stets klüger. Könnten Sie uns nun berichten, was Sie in der Nacht von Daniel Albertons Tod beobachteten…?«
Casbolt schloss die Augen, seine Hände umklammerten immer noch die Brüstung.
»Geht es Ihnen gut, Mr. Casbolt?«, fragte Deverill besorgt. Er trat auf ihn zu, als befürchtete er tatsächlich, Casbolt könnte zusammenbrechen.
»Ja«, presste Casbolt hervor. Er atmete tief durch und hob den Kopf, dann fixierte er mit starren Augen die holzvertäfelte Wand über den Besucherreihen. »Vom früheren Abend weiß ich nur das, was ich gehört habe. Ich nehme an, sie werden auch Mr. Monk in den Zeugenstand rufen, der damals anwesend war. Er kann Ihnen erzählen, was er sah und hörte. Ein Dinner mit Freunden hatte sich sehr lange hingezogen, und ich war noch nicht zu Bett gegangen. Es war ungefähr halb vier Uhr morgens, als mir ein Bote eine Nachricht von Mrs. Alberton brachte.«
»Beweisstück Nummer eins, Euer Ehren«, sagte Deverill zum Richter.
Der Richter nickte, woraufhin ein Gerichtsdiener Casbolt ein Blatt Papier reichte.
»Ist das die Nachricht, die Sie erhielten?«, fragte Deverill.
Casbolts Hand zitterte, als er sie nahm. Nur mit Schwierigkeiten gelang es ihm, zu sprechen. »Ja, das ist sie.«
»Würden Sie sie bitte vorlesen?«, bat Deverill. Casbolt räusperte sich.
»›Mein lieber Robert: Verzeihe mir, dass ich dich zu dieser
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